(Stuttgart) Die unrechtmäßige Verwertung von zwei Leergutbons im Werte von 0,48 und 0,82 Cents durch eine Supermarktkassiererin stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar, der es für den Arbeitgeber als unzumutbar erscheinen ließ, die Klägerin auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

Darauf verweist die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Dr. Christina Mitsch aus der Kanzlei Thümmel Schütze & Partner, Landesregionalleiterin „Berlin” des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf das jüngst verkündete Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg – AZ.: 7 Sa 2017/08 – vom 24.02.2009. Das LAG hat damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts aus der ersten Instanz bestätigt. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen

Die bereits seit mehr als 30 Jahren in einem Supermarkt als Kassiererin beschäftigte 50-jährige Klägerin hatte 2 ihr nicht gehörende Leergutbons im Werte von 0,48 und 0,82 Cents unrechtmäßig aus dem Kassenbüro entnommen und für sich selbst eingelöst. Dieser Sachverhalt stand für das Gericht anhand der von der Klägerin selbst eingeräumten Umstände, der Auswertung des Kassenjournals sowie als Ergebnis der Beweisaufnahme fest.

Das Verhalten der Klägerin rechtfertigte auch nach Auffassung des Berufungsgerichts den Ausspruch einer fristlosen außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses könne dem Arbeitgeber noch nicht einmal bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden.

Im konkreten Fall wurden zunächst die Voraussetzungen einer „Verdachtskündigung” als erfüllt angesehen. Selbst wenn der Arbeitgeber den Beweis für das Vorliegen einer Straftat nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts hätte erbringen können – was ihm aber tatsächlich gelungen war -, wäre die fristlose Kündigung dennoch gerechtfertigt gewesen. Bereits der dringende und auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht, der die Begehung einer Straftat massiv nahe legt und damit das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis erheblich belastet, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich geeignet, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu beendigen. Allerdings hat das LAG Berlin-Brandenburg eindringlich hervorgehoben, dass „bloße Unterstellungen des Arbeitgebers” nicht ausreichend seien. Es obliege dem Arbeitgeber, Fakten unter Beweis zu stellen, die im Sinne einer Prognose belegen, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitverhältnisses angesichts der dringenden Verdachtsmomente unzumutbar sei. Die teilweise verbreitete Auffassung, wonach der Arbeitnehmer seine „Unschuld beweisen” müsse, sei im Arbeitsgerichtsverfahren verfehlt.

Einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung bedurfte es nach Auffassung des Gerichts nicht, da eine solche bei der Begehung von Straftaten durch den Arbeitnehmer entbehrlich sei. Das Berufungsgericht führte aus, dass der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen könne, „dass der Arbeitgeber gegen sein Vermögen gerichtete Straftaten auch nur einmalig dulden werde.”

Wie bei jeder Kündigung war auch hier eine Interessenabwägung durchzuführen. Das Berufungsgericht berücksichtigte zu Gunsten der Klägerin zwar ihr Alter und ihre langjährige Beschäftigungszeit. Zu ihren Lasten allerdings sei ins Gewicht gefallen, dass sie als Kassiererin unabdingbar absolute Zuverlässigkeit, Korrektheit und Ehrlichkeit im Umgang mit Geld, Bons etc. zeigen müsse. Hier sei der Arbeitgeber auf Verlässlichkeit angewiesen. „Insofern könne es auch nicht auf den Wert der entwendeten Ware ankommen, das Eigentum des Arbeitgebers stehe auch nicht für geringe Beträge zur Disposition, und das auch nicht bei längerer Betriebszugehörigkeit”, führte das Berufungsgericht aus. Durch eine entsprechende Tatbegehung entstehe ein irreparabler Vertrauensverlust. Dieser Vertrauensverlust bilde den maßgeblichen Kündigungsgrund und nicht der Wert der Sache (1,30 €).

Zu Lasten der Klägerin wertete das Gericht, dass die Klägerin im Rahmen der Befragungen durch den Arbeitgeber immer wieder falsche Angaben gemacht habe, die sie dann, als sie vom Arbeitgeber widerlegt waren, einfach fallengelassen habe. So habe sie beispielsweise ohne Grund und Rechtfertigung eine Kollegin belastet, die nichts mit der Sache zu tun gehabt hatte.

Mitsch rät Arbeitgebern sowie Arbeitnehmern, die jeweiligen arbeitsvertraglichen Pflichten unabhängig von ihrer finanziellen Werthaltigkeit strikt zu erfüllen. Arbeitnehmern wird es vor dem Hintergrund dieser Entscheidung auch weiterhin schwer fallen, Straftaten gegen das Eigentum des Arbeitgebers damit zu rechtfertigen, dass es sich nur um “Peanuts” handele, wie “kleine Spesenbetrügereien” oder die Entwendung von Büromaterial oder Krankenhauszubehör. Die Folgen sowohl in arbeitsrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht können fatal sein und stehen in keinem Verhältnis zu den vermeintlichen finanziellen Vorteilen. Dies hatte das Bundesarbeitsgericht vor etlichen Jahren schon eindrucksvoll im Falle einer Bäckereiverkäuferin ausgeführt, die sich einen Biss in den Bienenstich des Arbeitgebers genehmigte, der sie den Arbeitsplatz kostete. Aber auch Arbeitgeber müssen darauf achten, dass sie in jedem einzelnen Fall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände prüfen, ob die konkrete Handlung eines bestimmten Mitarbeiters tatsächlich die Kündigung rechtfertigt. Hier reicht ein schlagwortartiger Verweis auf in der Vergangenheit erlassene Gerichtsentscheidungen nicht. Der Arbeitgeber ist für das Vorliegen der Kündigungsgründe voll in der Beweispflicht und hat Vieles zu beachten. Vor dem Ausspruch einer Verdachtskündigung beispielsweise ist der Arbeitnehmer zu den Vorwürfen stets ordnungsgemäß anzuhören. Hier bestehen viele Fehlerquellen.

Mitsch empfiehlt, in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei sie u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.   

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