(Stuttgart) Nach § 1 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA gelten Tarifverträge nicht für Chefärzte, wenn deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Dies gelte auch dann, wenn  beide Parteien unstreitig durch deren Mitgliedschaft im Marburger Bund bzw. kommunalen Arbeitgeberverband tarifgebunden sind.

Darauf verweist der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf ein am 27.02.2009 veröffentlichtes Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (LAG AZ.: 5 Sa 101/08).

In dem ausgeurteilten Fall stritten die Parteien über die Höhe der dem Kläger vertraglich zugesicherten Chefarzt-Vergütung. Der Kläger ist bei der Klinik bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 01.05.2001 als leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der chirurgischen Abteilung beschäftigt. Neben dem Recht der Privatliquidation vereinbarten die Parteien in dem zugrundliegenden Dienstvertrag u. a. folgende Regelung

§ 8 Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und Einräumung des Liquidationsrechtes

(1) Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1a zum BAT (VKA), d. h. Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT sowie Zulagen, eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend den tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung. Wird der BAT oder der maßgebende Vergütungstarifvertrag im Bereich der VKA durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt, so tritt an die Stelle der vereinbarten BAT-Vergütungsgruppe die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrages unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen. Die dem Arzt zuletzt nach BAT (VKA) zustehende Vergütung bleibt der Höhe nach unangetastet.

Die Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) sind durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13.09.2005 (TVöD) ersetzt worden. Dieser sowie der TVÜ-VKA wurden abgeschlossen zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie der Gewerkschaft ver.di sowie der dbb Tarifunion.

Bei Abschluss des TVöD war die Tarifgemeinschaft mit dem Marburger Bund bereits zerbrochen. Der Marburger Bund vereinbarte mit dem VKA am 17.08.2006 einen eigenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA), der am 01.08.2006 in Kraft trat. Gemäß § 7 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA beträgt die Wochenarbeitszeit durchschnittlich 40 Stunden. Die Eingruppierungsgrundsätze ergeben sich aus § 16 TV-Ärzte/VKA i. V. m. § 4 TVÜ-Ärzte/VKA.

Seit Inkrafttreten des TVöD, d.h. seit dem 01.10.2005, vergütete die Beklagte den Kläger nach der Entgeltgruppe (EntgGr.) 15 TVöD zzgl. einer individuellen Zwischenstufe. Zuletzt zahlte sie an den Kläger ein Monatsgehalt über € 5.625,00 brutto zzgl. einer individuellen Zwischenstufe in Höhe von € 118,28 brutto. Demgegenüber beträgt die Vergütung nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA € 6.500,00 monatlich.

Mit an alle Ärzte und Ärztinnen gerichteten Schreiben vom 20.11.2006, welches auch der Kläger erhielt, teilte die Klinikleitung mit, sie gehe davon aus, dass der TVöD bis zum Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber übergangsweise weiter gelte. Sobald der neue Tarifvertrag vorliege und vom Rechenzentrum eingespielt worden sei, werde sie die Zahlungen rückwirkend nach dem Ärztetarifvertrag berichtigen. Ob dies auch für den Kläger als Chefarzt gelten sollte, ist nun streitig. Dieser beantragte rückwirkend eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA. Nachdem die Klinik dies verweigerte, erhob der Chefarzt Klage auf Nachzahlung der Differenzbeträge für die Vergangenheit sowie auf Zahlung einer monatlich fortlaufenden Bruttovergütung gemäß der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA für die Zukunft.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Hiergegen richtete sich die Berufung der Klinik, die jetzt vom LAG Schleswig-Holstein zurückgewiesen wurde, betont Klarmann.

Der Zahlungsanspruch des Klägers sei begründet. Bei diesem handele es sich nicht um einen tariflichen, sondern um einen einzelvertraglichen Vergütungsanspruch des Klägers. Obgleich beide Parteien unstreitig durch deren Mitgliedschaft im Marburger Bund bzw. kommunalen Arbeitgeberverband tarifgebunden seien, unterliege der Kläger als Chefarzt unstreitig nicht dem persönlichen Geltungsbereich des TVöD.

Nach § 1 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA gelte dieser Tarifvertrag nicht für Chefärzte, wenn deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Dies sei hier unstreitig der Fall. Ein tariflicher Anspruch gemäß § 16 d) TV-Ärzte/VKA kraft beiderseitiger Tarifbindung scheide mithin aus. Hierbei richte sich das Gehalt des Klägers aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA. Die Parteien hätten in § 8 Abs. 1 des zugrunde liegenden Arbeitsvertrags die Vergütung nicht durch Vereinbarung eines festen Betrages, sondern durch eine Anknüpfung an die jeweilige Vergütung nach VergGr. I BAT geregelt, der damit auch die Grundlage für die Höhe der Vergütung bilde.

Klarmann empfahl allen Kliniken und Ärzten, dieses Urteil  zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.    

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