Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.2025, AZ 2 TaBV 2/25
Ausgabe: 10 – 2025
1. Wird in einem bislang betriebsratslosen Betrieb ein Betriebsrat erst gebildet, nachdem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung begonnen hat, steht dem Betriebsrat nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (zuletzt BAG 8. Februar 2022 – 1 ABR 2/21 – BAGE 177, 104 ff) kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu.
2. Ein Betriebsrat kann und soll nach der gesetzlichen Konzeption bei Vorliegen der Voraussetzungen unabhängig von einem bestimmten Mitbestimmungstatbestand gebildet werden.
3. Täuscht der Arbeitgeber die Belegschaft über den Planungsstand betreffend eine Betriebsänderung, kann hieraus eine Schadensersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB entstehen. Die Pflicht, nicht bewusst die Unwahrheit über betriebliche Planungen zu verbreiten, besteht nach ihrem Schutzzweck aber nicht zur Ermöglichung der rechtzeitigen Gründung eines Betriebsrats zur Wahrnehmung eines Beteiligungsrechts betreffend diese Planungen. Täuschungen über tatsächliche Umstände, die ein bestimmtes Mitbestimmungsrecht auslösen können, sind nicht deshalb verboten, weil sie Einfluss auf die Willensbildung der Belegschaft zur Gründung eines Betriebsrats haben könnten.
4. Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, mit einer an sich beteiligungspflichtigen Maßnahme so lange zu warten, bis im Betrieb ein funktionsfähiger Betriebsrat vorhanden ist, enthält das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Genauso wenig ist es dem Arbeitgeber verboten, den zunächst geplanten Beginn der Umsetzung einer Maßnahme in Ansehung einer Betriebsratsgründung zu beschleunigen. Einen „Wettlauf“, bei dem zwar die Beibehaltung des eingeschlagenen Tempos erlaubt, die Beschleunigung jedoch verboten ist, gibt es aus Rechtsgründen nicht.
Weitere Informationen: https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJR…