Arbeitgeber können Arbeitnehmer nicht zum Impfen gegen SARS-CoV2 anweisen

(Stuttgart) Die jüngst beschlossene „Coronavirus-Impfverordnung“ sieht keine gesetzliche Impfpflicht vor. Auch für Arbeitnehmer bleibt eine Corona-Impfung freiwillig. Arbeitgeber können eine Impfung nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts anordnen. In Ausnahmefällen wie etwa bei in Altenpflegeheimen oder Lungenfachkliniken beschäftigten Pflegekräften kann eine Weigerung der Impfung aber zum Wegfall der Eignung führen und eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen.

Die rechtliche Lage schätzt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott ein

  • Keine Impfpflicht in der „Coronavirus-Impfverordnung“ vorgesehen

Die durch das Bundesgesundheitsministerium erlassene „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“ sieht keine Impfpflicht vor. „Die Anordnung einer solchen gesetzlichen Impfpflicht für „jedermann“ wäre rechtlich aber grundsätzlich möglich“, erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott und verweist auf das Infektionsschutzgesetz (IFSG).

Dieses erlaubt etwa in § 20 Abs. 6 S. 1 IFSG die Anordnung einer Impfpflicht, wonach „bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist“.

Durch das erst im Frühjahr 2020 erlassene Masernschutzgesetz ist eine solche Impfpflicht für Schüler und in Betreuungseinrichtungen und Schulen tätige Personen eingeführt worden. Nach dem aktuellen Stand der politischen Diskussion ist die Einführung einer solchen allgemeinen Impfpflicht gegen Corona derzeit aber nicht beabsichtigt.

  • Keine Impfanweisungen durch Arbeitgeber möglich

„Auch Arbeitgeber werden ihre Mitarbeiter daher ohne Bestehen einer gesetzlichen Impfpflicht nicht zu einer Impfung verpflichten können“, betont der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Zwar sei es einem Arbeitgeber durch das arbeitgeberseitige Direktionsrecht gem. § 106 Gewerbeordnung (GewO) erlaubt, Vorgaben für Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung zu machen. Dies gelte aber nur, soweit dem gesetzliche Vorgaben nicht entgegenstünden. Der Arbeitgeber habe zwar auch gegenüber seinen Mitarbeitern eine Schutz- und Fürsorgepflicht, die sich unter anderem aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ergebe.

„Danach kann ein Unternehmen in besonderen Situationen wie der vorliegenden etwa Fiebermessungen vor Betreten des Betriebsgeländes anordnen oder seine Mitarbeiter bei Urlaubsrückkehr nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet befragen“, so Fuhlrott. „Das Direktionsrecht stellt aber keine Rechtfertigung zur Anordnung von Impfungen dar. Impfen oder nicht ist kein dienstliches Verhalten und der Arbeitnehmer in seinem außerdienstlichen Verhalten grundsätzlich frei“, so der Arbeitsrechtler.

  • Besonderheiten bei Tätigkeiten in Pflegeheimen oder Krankenhäusern?

Dies gelte nach Fuhlrott auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kontakt zu besonders vulnerablen Personengruppen haben, wie etwa Pflegepersonal in Altenpflegeheimen oder Intensivstationen. Auch hier wäre eine Anweisung zum Impfen nicht erlaubt. „Der Arbeitgeber kann hier allerdings die regelmäßige Testung seiner Beschäftigten verlangen und müssen die Arbeitnehmer einer solchen Anordnung Folge leisten“, so Fuhlrott.

Im Einzelfall drohe impfunwilligen Arbeitnehmern in derartigen Einrichtungen allerdings eine personenbedingte ordentliche Kündigung: Wenn Patienten oder deren Angehörige den Einsatz von „geimpften Personal“ verlangen oder der Einsatz nicht geimpfter Arbeitnehmer eine hohe Gesundheitsgefahr darstellt, wird ein Arbeitgeber ungeimpfte Arbeitnehmer womöglich nicht mehr beschäftigen können.

Ist eine Beschäftigung damit aufgrund Wegfalls der persönlichen Eignung nicht mehr möglich, kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine sog. personenbedingte Kündigung unter Wahrung der Kündigungsfrist in Betracht. Der Arbeitgeber müsse zuvor aber prüfen, ob die Person nicht mit einer anderen Tätigkeit betraut werden könne, bei der das Bestehen eines Impfschutzes nicht zwingend sei. „Eine personenbedingte Kündigung kann in letzter Konsequenz aber möglich sein, wenn adäquate andere Tätigkeiten nicht vorhanden sind“, so der Hamburger Arbeitsrechtler. „Derartige Fälle werden die Arbeitsgerichte im kommenden Jahr sicherlich beschäftigen“, glaubt Fuhlrott.

Fuhlrott empfiehlt Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei Fragen zur Impfpflicht oder denkbaren Konsequenzen Rechtsrat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.

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Prof. Dr. Michael Fuhlrott
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Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius

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