(Stuttgart) Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 17. Dezember 2009 zum Aktenzeichen 8 AZR 1019/08 über einen Sachverhalt entschieden, bei dem zwischen den Prozessparteien streitig war, ob ein Betriebsübergang stattgefunden hatte.

Dem Urteil, so der Hannoveraner Fachanwalt für Arbeitsrecht Armin Rudolf vom VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das beklagte Unternehmen bewirtschaftete drei Kantinen eines Automobilherstellers. Dieser kündigte dem Kantinenbetreiber zum 31. Dezember 2006. Ab dem 1. Januar 2007 übernahm ein neues Unternehmen die Bewirtschaftung der drei Werkskantinen. Der frühere Kantinenbetreiber war gegenüber dem Automobilhersteller verpflichtet, jeweils vor Ort in den drei Betrieben selbst frisch zubereitete Speisen anzubieten. Von dem neuen Kantinenbetreiber wurden die Mittagessen in seiner so genannten Menü-Manufaktur vorgefertigt, in den drei Kantinen des Automobilherstellers nur noch aufgewärmt und direkt im Anschluss ausgegeben.

Dementsprechend wurden von dem neuen Unternehmen die ursprünglich in den Kantinen angestellten Köche nicht weiterbeschäftigt. Diesen hatte allerdings noch das Vorgängerunternehmen gekündigt. Gleichzeitig hatte es die Arbeitnehmer davon unterrichtet, dass ein Betriebsübergang stattfinden würde. Aus diesem Grunde empfahl dieses Unternehmen seinen Küchenhilfskräften, ihre Arbeitskraft ab dem 1. Januar 2007 dem neuen Kantinenbetreiber anzubieten.

Die Klägerin war bei der Beklagten als Küchenhilfe angestellt. Während des Jahreswechsels 2006/2007 befand sie sich in Elternzeit. Nach dem Ende ihrer Elternzeit lehnte ihr ursprünglicher Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung mit dem Hinweis auf den vermeintlich vollzogenen Betriebsübergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den neuen Kantinenbetreiber ab.

Die dagegen erhobene Klage auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der Beklagten hatte in allen drei Instanzen Erfolg, so Rudolf. 

Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass ein Betriebsübergang trotz weitgehend übernommener sächlicher Betriebsmittel nicht anzunehmen ist, wenn der Betriebserwerber aufgrund eines veränderten Betriebskonzepts diese nur noch teilweise benötigt und nutzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betriebserwerber erhebliche Änderungen in der Organisation und der Personalstruktur des Betriebes eingeführt hat, so dass in der Gesamtschau keine Fortführung des früheren Betriebes anzunehmen ist.

Das BAG hat es vorliegend als maßgeblich angesehen, dass in Folge des Wegfalls der zentralen Tätigkeit einer Küche, nämlich des Zubereitens von frischen Speisen, sich wesentliche Arbeitsinhalte geändert haben und damit auch wichtige Aspekte der Arbeitsorganisation und der Betriebsmethoden. Außerdem hat sich das Arbeitsvolumen ganz erheblich reduziert, denn die bisher von der Beklagten eingesetzte Belegschaft (drei Köche und drei Hilfskräfte) wurde um die Hälfte, nämlich um die drei Köche, reduziert. Durch die konzeptionelle Änderung hat sich das Anforderungsprofil des eingesetzten Personals verändert. Das gesamte qualifizierte Küchenpersonal, welches mit der richtigen Behandlung und Bearbeitung von frischen Lebensmitteln und mit der Zubereitung der Speisen betraut war, ist weggefallen. Das BAG kommt daher zu dem Ergebnis, dass sowohl was die Quantität als auch die Qualität der Arbeitstätigkeit anbelangt, die in den Werkskantinen zu verrichten war, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.

Der neue Kantinenbetreiber hat daher den Betrieb der Beklagten nicht fortgeführt. Es hat aus diesem Grunde kein Betriebsübergang stattgefunden. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem ehemaligen Kantinenbetreiber hat daher unverändert fortbestanden.  

  • Konsequenzen aus der Entscheidung  

Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber, so betont Rudolf, sollten bei einem vermeintlichen Betriebsübergang keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Sie sollten sich auf jeden Fall anwaltlich beraten lassen, da die arbeitsrechtliche Rechtsprechung und Literatur zum Thema Betriebsübergang schwer überschaubar ist. Den für das Vorliegen eines Betriebsübergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind daher die einzelnen Teilaspekte genau herauszuarbeiten.

Bei dem hier in Rede stehenden Sachverhalt sprachen gewichtige Gründe dafür, dass kein Betriebsübergang stattfinden würde. Das beklagte Unternehmen wäre daher gut beraten gewesen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu kündigen. Dies war allerdings erst nach dem Ende der Elternzeit möglich. Während der Elternzeit genießen Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz nach § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Die Beklagte hat sich durch ihr Vorgehen einem enormen Annahmeverzugslohnrisiko ausgesetzt. Dies sollte auf Arbeitgeberseite stets vermieden werden.

Rudolf empfahl, dies zu beachten und empfahl sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern  in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.    

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