Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 26.10.2021, AZ 6 AZR 253/19

Aus­gabe: 10–2021

Die für den Dien­stleis­tungs­bere­ich Kranken­häuser im Bere­ich der Vere­ini­gung der kom­mu­nalen Arbeit­ge­berver­bände maßge­bliche Fas­sung des Tar­ifver­trags für den öffentlichen Dienst (TVöD‑K) enthält für den Freizeitaus­gle­ich und die Vergü­tung von Stun­den, die Teilzeitbeschäftigte unge­plant über ihre ver­traglich vere­in­barte Arbeit­szeit hin­aus erbrin­gen, eigen­ständi­ge Regelun­gen, die sich so sehr von den Regelun­gen zum Entste­hen, dem Aus­gle­ich und der Vergü­tung von Über­stun­den bei Vollbeschäftigten unter­schei­den, dass keine Ver­gle­ich­barkeit mehr gegeben ist. Mit dieser Dif­feren­zierung haben die Tar­ifver­tragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleis­teten Gestal­tungsspiel­raum nicht über­schrit­ten. Deshalb diskri­m­inieren die für Teilzeitbeschäftigte gel­tenden Regelun­gen diese nicht und sind wirk­sam. Die sowohl für Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte maßge­bliche Son­der­regelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD‑K zur Entste­hung von Über­stun­den bei Beschäftigten, die Wech­selschicht- oder Schichtar­beit leis­ten, ver­stößt jedoch gegen das Gebot der Normk­larheit und ist deshalb unwirksam.

Die Klägerin ist seit 1999 bei der beklagten Klinikbe­treiberin als Pflegekraft in Teilzeit mit ein­er wöchentlichen Arbeit­szeit von 32 Stun­den beschäftigt. Sie leis­tet Wech­selschicht- bzw. Schichtar­beit, die nach einem für den Monat gel­tenden Dien­st­plan erbracht wird. Auf­grund bei­der­seit­iger Tar­if­bindung gel­ten die Regelun­gen eines Haus­tar­ifver­trages vom 19. Jan­u­ar 2017, der sein­er­seits für die Vergü­tung von Über­stun­den und Mehrar­beit den TVöD‑K in sein­er zu diesem Zeit­punkt gülti­gen Fas­sung in Bezug nimmt. Die Klägerin leis­tete im Zeitraum Jan­u­ar bis Juni 2017 sowohl über ihre ver­traglich vere­in­barte Arbeit­szeit hin­aus im Dien­st­plan vorge­se­hene (geplante) Arbeitsstun­den, als auch im Dien­st­plan nicht vorge­se­hene (unge­plante) Arbeitsstun­den, ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeit­szeit von Vollbeschäftigten zu über­schre­it­en. Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstun­den mit dem anteili­gen tar­i­flichen Tabel­lenent­gelt. Die Klägerin beansprucht darüber hin­aus Über­stun­den­zuschläge auf der Grund­lage der § 7 Abs. 8 Buchst. c, § 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a TVöD‑K. Sie meint, diese stün­den ihr hin­sichtlich der unge­planten Arbeitsstun­den auch dann zu, wenn sie ihre vere­in­barte regelmäßige Arbeit­szeit nicht über­schre­ite. Bei den geplanten Arbeitsstun­den komme es auf eine Über­schre­itung der regelmäßi­gen wöchentlichen Arbeit­szeit von Vollbeschäftigten nicht an. Andern­falls werde sie als Teilzeitbeschäftigte nach nationalem Recht und nach Union­srecht gegenüber Vollbeschäftigten diskriminiert.

Die Revi­sion der Klägerin hat­te vor dem Sech­sten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg. Wegen der Unwirk­samkeit des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD‑K ist für sie allein die Regelung zur Mehrar­beit in § 7 Abs. 6 TVöD‑K maßge­blich. Diese Bes­tim­mung sieht keine Zahlung von Über­stun­den­zuschlä­gen für die von der Klägerin zusät­zlich geleis­teten Stun­den, mit der sie ihre ver­tragliche Arbeit­szeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeit­szeit von Vollbeschäfti­gen über­schritt, vor. Anspruch auf den in § 7 Abs. 7 iVm. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TVöD‑K vorge­se­henen Über­stun­den­zuschlag hat sie deshalb nicht. Diese Dif­feren­zierung zwis­chen den Grup­pen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten ist wirk­sam, weil für sie völ­lig unter­schiedliche Regelungssys­teme des TVöD‑K in Bezug auf das Entste­hen und den Aus­gle­ich von Mehrar­beit und Über­stun­den gelten.

Der Sen­at hält an sein­er bish­eri­gen, auss­chließlich auf den nicht gezahlten Über­stun­den­zuschlag gerichteten Recht­sprechung (BAG 23. März 2017 – 6 AZR 161/16 -) eben­so wenig fest wie an dem in dieser Entschei­dung sowie in der Entschei­dung vom 25. April 2013 (- 6 AZR 800/11 -) gefun­de­nen Ausle­gungsergeb­nis des Über­stun­den­be­griffs des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD‑K im Falle von Wech­selschicht- oder Schichtar­beit. Die danach erforder­liche Dif­feren­zierung zwis­chen geplanten und unge­planten Über­stun­den weicht von der nach § 7 Abs. 7 TVöD‑K gel­tenden Grun­dregel, nach der nur unge­plante zusät­zliche Stun­den Über­stun­den wer­den kön­nen, ab, ohne dass ein solch­er Regelungswille der Tar­ifver­tragsparteien im Norm­text aus­re­ichend Nieder­schlag gefun­den hat. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD‑K kann auch kein ander­er objek­tiv­er Norm­be­fehl ent­nom­men werden.

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