Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 30.06.2021, AZ 6 AZR 390/20 (A)

Aus­gabe: 06–2021

Die Parteien stre­it­en über die Verpflich­tung des Klägers, seine ver­traglich geschuldete Arbeit­sleis­tung dauer­haft im Wege der Per­son­algestel­lung bei einem Drit­tun­ternehmen zu erbrin­gen, nach­dem sein Auf­gaben­bere­ich zu diesem ver­lagert wor­den ist. 

Der Kläger ist bei der beklagten GmbH seit April 2000 beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Kranken­haus, deren Trägerin und einzige Gesellschaf­terin eine Kör­per­schaft öffentlichen Rechts ist. Sie besitzt keine Erlaub­nis zur Arbeit­nehmerüber­las­sung. Auf das Arbeitsver­hält­nis der Parteien find­et der Tar­ifver­trag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kom­mu­nale Arbeit­ge­ber gel­tenden Fas­sung Anwendung.

Im Juni 2018 gliederte die Beklagte ver­schiedene Auf­gaben­bere­iche, zu denen auch der Arbeit­splatz des Klägers gehört, auf eine neu gegrün­dete Ser­vice GmbH aus. Die Aus­gliederung führte zu einem Betrieb­steilüber­gang. Der Kläger wider­sprach nach § 613a Abs. 6 BGB dem Über­gang seines Arbeitsver­hält­niss­es auf die Ser­vice GmbH. Seit Juni 2018 erbringt er allerd­ings auf Ver­lan­gen der Beklagten seine ver­traglich geschuldete Arbeit­sleis­tung im Wege der Per­son­algestel­lung nach § 4 Abs. 3 TVöD bei dieser GmbH. Sein dor­tiger Arbeit­sein­satz ist auf Dauer angelegt. Das zwis­chen ihm und der Beklagten vere­in­barte Arbeitsver­hält­nis beste­ht jedoch mit dem bish­eri­gen Inhalt fort. Der Ser­vice GmbH obliegt nur das fach­liche und organ­isatorische Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Inhalts­gle­iche Regelun­gen beste­hen in den Tar­ifverträ­gen für die Tar­if­bere­iche des Bun­des und der Länder.

Mit sein­er Klage hat der Kläger gel­tend gemacht, sein Ein­satz bei der Ser­vice GmbH ver­stoße gegen Union­srecht. Bei der Per­son­algestel­lung iSv. § 4 Abs. 3 TVöD han­dele es sich um eine dauer­hafte und damit nach der Richtlin­ie 2008/104/EG des Europäis­chen Par­la­ments und des Rates vom 19. Novem­ber 2008 über Lei­har­beit rechtswidrige Arbeit­nehmerüber­las­sung. Die Beklagte hat demge­genüber gemeint, die Per­son­algestel­lung sei bere­its auf­grund der Bere­ich­saus­nahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b Arbeit­nehmerüber­las­sungs­ge­setz (AÜG) keine unzuläs­sige Arbeit­nehmerüber­las­sung. Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen.

Der Sech­ste Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts hat mit Beschluss vom heuti­gen Tag den Gericht­shof der Europäis­chen Union nach Art. 267 AEUV um die Beant­wor­tung zweier Fra­gen zur Ausle­gung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlin­ie 2008/104/EG ersucht.* Die Entschei­dung des Rechtsstre­its hängt davon ab, ob die Per­son­algestel­lung iSv. § 4 Abs. 3 TVöD unter den Schutzz­weck und damit in den Anwen­dungs­bere­ich der Lei­har­beit­srichtlin­ie fällt. Wenn dies zuträfe, käme es für die Entschei­dung darauf an, ob die Lei­har­beit­srichtlin­ie eine Bere­ich­saus­nahme wie die in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG geregelte zulässt. Die Beant­wor­tung dieser Fra­gen bet­rifft die Ausle­gung des Union­srechts, die in die Zuständigkeit des Gericht­shofs fällt. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/r…