Lan­desar­beits­gericht Berlin-Bran­den­burg, Beschluss vom 07.01.2020, AZ 7 Sa 217/19

Aus­gabe: 3 — 2020

Tenor

I. Die Beru­fung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeits­gerichts Berlin vom 13. Dezem­ber 2018 — 20 Ca 7524/18 — wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revi­sion wird nicht zugelassen.

Tatbe­stand

1
Die Parteien stre­it­en über die Weit­er­gabe der sich aus dem Tar­i­fab­schluss vom 01.07.2017 für den Einzel­han­del ergeben­den Entgelterhöhungen.
2
Die Klägerin ist bei der Beklagten auf der Grund­lage eines schriftlichen Arbeitsver­trages vom 01.03.1988 (Bl. 5 – 6 d.A.), abgeschlossen mit der H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH, als Fil­iallei­t­erin beschäftigt. Der Arbeitsver­trag nimmt die Tar­ifverträge des Einzel­han­dels in ihrer jew­eils gülti­gen Fas­sung in Bezug. Die Klägerin, die seit 2004 Mit­glied bei ver.di ist, wurde bis August 2017 ein­schließlich nach der Ent­gelt­gruppe K3 End­stufe der Tar­ifverträge über Gehäl­ter, Löhne und Aus­bil­dungsvergü­tun­gen für den Berlin­er Einzel­han­del in ihrer jew­eili­gen Fas­sung vergütet.
3
Die H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH war auf der Grund­lage eines seit dem 10.01.1986 beste­hen­den Beherrschungs- und Ergeb­nis­abführungsver­trages Teil der D. Hold­ing AG. Bei Abschluss des Arbeitsver­trages mit der Klägerin war sie Mit­glied der Lan­desar­beits­ge­mein­schaft der Mit­tel- und Groß­be­triebe des Einzel­han­dels in Berlin Bran­den­burg e.V. Dieser Ver­band ver­ab­schiedete am 16. Sep­tem­ber 1998 eine Satzung, die in § 4 die Möglichkeit des Erwerbs ein­er OT- Mit­glied­schaft vor­sah. Eine solche beantragte die D. Hold­ing AG für ihre Unternehmen ab 01.10.2000 mit Schreiben vom 20.12.1999 (Bl. 59 d.A.), unterze­ich­net von einem Her­rn P.. Mit Schreiben vom 27.12.1999 (Bl. 60 d.A.) bestätigte die Lan­desar­beits­ge­mein­schaft das Beste­hen ein­er OT-Mit­glied­schaft. Ob der Unterze­ich­n­er des Schreibens für die D. Hold­ing AG vertre­tungs­befugt war, ist zwis­chen den Parteien eben­so stre­it­ig wie die Frage, ob die Satzung der Lan­desar­beits­ge­mein­schaft vom 16.09.1998 wirk­sam eine OT Mit­glied­schaft vorge­se­hen hatte.
4
Die Lan­desar­beits­ge­mein­schaft der Mit­tel-und Groß­be­triebe des Einzel­han­dels ver­schmolz mit Beschlusses vom 15.09.2009 mit dem Han­delsver­band Berlin-Bran­den­burg, der die Mit­glieder der Lan­desar­beits­ge­mein­schaft ohne Auf­nah­mev­er­fahren zum 01.01.2010 auf­nahm. Am 09.11.2010 beschloss der Han­delsver­band Berlin-Bran­den­burg seine neue Satzung, die zulet­zt am 07.11.2016 geän­dert wurde und unter § 5 eben­falls die Möglichkeit enthielt, als OT-Mit­glied dem Ver­band beizutreten, wobei unter § 14 der Satzung für diese die Wahl zum tarif- und sozialpoli­tis­chen Auss­chuss aus­geschlossen war. Wegen der weit­eren Regelun­gen im Einzel­nen wird auf die Satzung des Han­delsver­bands Berlin-Bran­den­burg vom 09.11.2010 Bezug genommen.
5
Mit Datum vom 22.10.2013/30.10.2013 trafen die D. Hold­ing AG und der Han­delsver­band Deutsch­land-Der Einzel­han­del e. V (HDE, die Spitzenor­gan­i­sa­tio­nen des Einzel­han­dels) eine Vere­in­barung über eine Mit­glied­schaft der D. Hold­ing AG und der ihr angeschlosse­nen Einzel­han­del­sun­ternehmen ohne Tar­if­bindung. Dabei trat die D. Hold­ing AG aus­drück­lich auch im Namen der in ein­er Anlage zu dieser Vere­in­barung aufge­führten Einzel­han­del­sun­ternehmen auf, zu denen auch die H. Süßwaren­fachgeschäfte zählte. Nach § 7 sollte diese Vere­in­barung zum 01.10.2013 Inkraft­treten und alle bish­er mit dem HDE beste­hende Mit­glied­schaftsvere­in­barung erset­zen. Für die Einzel­heit­en dieser Vere­in­barung wird auf Bl. 305 und 306 d.A. Bezug genommen.
6
Nach­dem zum 30.04. 2014 der Beherrschungs-und Ergeb­nis­abführungsver­trag zwis­chen der H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH und der D. Hold­ing AG aufge­hoben wor­den war, ver­schmolz die H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH mit der B. 13–500 GmbH, ein­er nicht tar­ifge­bun­de­nen Ver­wal­tungs­ge­sellschaft, als übernehmende Recht­strägerin. Die B. 13–500 GmbH fir­mierte in die H. GmbH, die jet­zige Beklagte, um. Die Ein­tra­gung der Ver­schmelzung für die H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH erfol­gte am 10.06.2014 im Han­del­sreg­is­ter, die Ein­tra­gung der Namen­sän­derung sowie der Ver­schmelzung für die B. 13–500 GmbH erfol­gte am 17.06.2014. Nach Sitzver­legung der H. GmbH von München nach Hagen wurde diese Gesellschaft am 03.07.2014 dort im Han­del­sreg­is­ter eingetragen.
7
Unter den Dat­en vom 16.07.2014/17.07.2014 und 21. 07. 2014 unterze­ich­neten die Geschäfts­führer der H. Süßwaren GmbH, die zu diesem Zeit­punkt auch bere­its als Geschäfts­führer der Beklagten im Han­del­sreg­is­ter einge­tra­gen wor­den waren, mit dem Han­delsver­band Nor­drhein-West­falen und dem Han­delsver­band Deutsch­land (HDE) fol­gende „Mit­glied­schaftsvere­in­barung zwis­chen der H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH und dem Han­delsver­band Nor­drhein-West­falen gemein­sam mit dem Han­delsver­band Deutsch­land (HDE)“:

§ 1
8
Die Fir­ma H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH erwirbt zum 02.05.2014 die Mit­glied­schaft für ihre Fil­ialen in den jew­eils region­al zuständi­gen Einzel­han­delsver­bän­den, in deren Auf­trag der Han­delsver­band Nor­drhein-West­falen (HV NRW) und der Han­delsver­band Deutsch­land (HDE) diese Vere­in­barung schließen.
9
Durch diese Mit­glied­schaftsvere­in­barung wird eine Tar­if­bindung für die H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH ausgeschlossen.
10
Für die weit­eren Einzel­heit­en dieser Vere­in­barung wird auf die Anl. 17, Bl. 363 ff. d.A. Bezug genommen.
11
Bis zum Tar­i­fab­schluss 01.07.2017 gab die Beklagte die Tar­i­flohn­er­höhun­gen an ihre Mitar­beit­er weit­er, stellte dies dann aber ein und zahlt seit 01.09.2017 ihren Mitar­beit­ern Arbeit­sent­gelt nach Maß­gabe des bis zum 01.07.2017 gel­tenden Entgelttarifvertrags.
12
Mit der vor­liegen­den, beim Arbeits­gericht am 31.05.2018 einge­gan­genen und mehrfach erweit­erten Klage begehrt die Klägerin unter Bezug­nahme auf die Tar­ifverträge für den Einzel­han­del die Zahlung ihres Arbeit­sent­geltes nach Maß­gabe der zum 01.09.2017 in Kraft getrete­nen Tar­i­flohn­er­höhung für den Einzel­han­del Berlin für die Monate Sep­tem­ber 2017 bis Okto­ber 2018.
13
Nach­dem die Parteien über die eben­falls stre­it­ige Zahlung ein­er Son­derzuwen­dung für 2017 einen Teil­ver­gle­ich abgeschlossen haben, hat das Arbeits­gericht mit Urteil vom 21. Novem­ber 2018, auf dessen Tatbe­stand wegen der weit­eren Einzel­heit­en des erstin­stan­zlichen Vor­brin­gens der Parteien Bezug genom­men wird, die Klage abgewiesen. Zur Begrün­dung hat es im Wesentlichen aus­ge­führt, die Klägerin könne von der Beklagten nicht die Zahlung der tar­i­flichen Gehalt­ser­höhun­gen ab Sep­tem­ber 2017 ver­lan­gen, weil diese Tar­ifverträge auf das Arbeitsver­hält­nis keine Anwen­dung find­en wür­den. Es fehle dazu an der bei­der­seit­i­gen Tar­if­bindung, nach­dem die Beklagte eine wirk­same OT Mit­glied­schaft begrün­det habe. Die Satzung entspreche bei ihren Regelun­gen zur OT-Mit­glied­schaft den Maß­gaben des Bun­de­sar­beits­gerichts. Ins­beson­dere sei danach ein Ein­fluss der Beklagten auf tar­if­poli­tis­che Entschei­dun­gen aus­geschlossen. Wegen der weit­eren Einzel­heit­en der erstin­stan­zlichen Entschei­dung wird auf das ange­focht­ene Urteil Bezug genommen.
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Gegen dieses der Klägerin am 03.01.2019 zugestellte Urteil richtet sich ihre Beru­fung, die sie mit einem beim Lan­desar­beits­gericht am 20.01.2019 einge­gan­genen Schrift­satz ein­gelegt und mit einem beim Lan­desar­beits­gericht nach Ver­längerung der Begrün­dungs­frist bis zum 03.04.2019 am 03.04.2019 einge­gan­genen Schrift­satz begrün­det hat.
15
Die Klägerin und Beru­fungsklägerin geht – wie schon in der ersten Instanz – weit­er­hin davon aus, die Beklagte sei kraft Mit­glied­schaft im Arbeit­ge­berver­band an die Tar­ifverträge gebun­den. Einen wirk­samen Wech­sel in eine OT-Mit­glied­schaft habe es nicht gegeben. Soweit erst­ma­lig mit Schreiben vom 20.12.1999 ein Antrag auf OT-Mit­glied­schaft gestellt wor­den sei, fehle es an der Vertre­tungs­berech­ti­gung des Mitar­beit­ers, der diesen Antrag unterze­ich­net. Zudem sei der Antrag nicht vom Arbeit­ge­berver­band angenom­men wor­den, da das dama­lige Schreiben des Arbeit­ge­berver­ban­des vom 27.12. 1999 nicht an die Beklagte, son­dern an die D. Hold­ing AG gerichtet gewe­sen sei. Die D. Hold­ing AG habe jedoch einen Wech­sel der Beklagten in eine so genan­nte OT-Mit­glied­schaft nicht her­beiführen kön­nen. Jeden­falls aber sei die OT-Mit­glied­schaft rechts­fehler­haft, weil die Satzung keine aus­re­ichende Tren­nung der OT-Mit­glieder vom Tar­ifver­trags­geschehen vorse­he. Im Grunde sei schon eine OT-Mit­glied­schaft über­haupt abzulehnen.
16
Die Klägerin beantragt,
17
das Urteil des Arbeits­gerichts Berlin vom 13.12.2018 – 20 Ca 7524/18 – teil­weise abzuän­dern und
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1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Tar­ifer­höhung in Höhe von 605,88 Euro brut­to neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz seit Recht­shängigkeit zu zahlen.
19
2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Tar­ifer­höhung in Höhe von 134,64 Euro brut­to neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz seit Recht­shängigkeit zu zahlen.
20
3. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Tar­ifer­höhung in Höhe von 67,32 Euro brut­to neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz seit Recht­shängigkeit zu zahlen.
21
4. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Tar­ifer­höhung in Höhe von 121,36 Euro brut­to neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz seit Recht­shängigkeit zu zahlen.
22
5. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Tar­ifer­höhung in Höhe von 256,00 Euro brut­to neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz seit Recht­shängigkeit zu zahlen
23
Die Beklagte beantragt,
24
die Beru­fung zurückzuweisen.
25
Die Beklagte trägt unter Ergänzung und Ver­tiefung ihres erstin­stan­zlichen Vor­brin­gens und unter Ein­re­ichung zahlre­ich­er Han­del­sreg­is­ter­auszüge vor, sie sei zu keinem Zeit­punkt Mit­glied mit Tar­if­bindung bei einem Arbeit­ge­berver­band gewesen.
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Wegen der weit­eren Einzel­heit­en des zweitin­stan­zlichen Vor­brin­gens der Parteien wird auf den Inhalt der zwis­chen ihnen gewech­sel­ten Schrift­sätze neb­st Anla­gen sowie auf das Vor­brin­gen in dem mündlichen Ver­hand­lung­ster­min Bezug genommen.

Entschei­dungs­gründe

27
Die zuläs­sige Beru­fung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Weit­er­gabe der ab 01.09.2017 gel­tenden tar­i­flichen Ent­gel­ter­höhun­gen. Dieser Tar­ifver­trag find­et keine nor­ma­tive Anwen­dung auf das Arbeitsver­hält­nis, da nicht bei­de Seit­en tar­ifge­bun­den sind (§ 4 Abs. 1 TVG). Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klägerin hat die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesicht­spunkt eine Mit­glied­schaft im Arbeit­ge­berver­band mit Tar­if­bindung erwor­ben, die eine nor­ma­tive Wirkung der gel­tenden Tar­ifverträge begrün­den könnte.
28
1. Nach § 4 Abs. 1 TVG gel­ten die Recht­snor­men eines Tar­ifver­trages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendi­gung von Arbeitsver­hält­nis­sen ord­nen, unmit­tel­bar und zwin­gend zwis­chen den bei­der­seit­i­gen Tar­ifge­bun­de­nen, die unter den Gel­tungs­bere­ich des Tar­ifver­trages fall­en. Tar­ifge­bun­den sind gemäß § 3 Abs. 1 TVG die Mit­glieder der Tar­ifver­tragsparteien und der Arbeit­ge­ber, der selb­st Partei des Tar­ifver­trages ist.
29
2. An dieser bei­der­seit­i­gen Tar­ifge­bun­den­heit fehlt es. Zwar ist die Klägerin unstre­it­ig Mit­glied der Gew­erkschaft. Eine Mit­glied­schaft der Beklagten mit Tar­if­bindung ließ sich indes nicht fest­stellen. Soweit die Beklagte, auf die es nach der Ver­schmelzung und dem Über­gang des Arbeitsver­hält­niss­es der Klägerin gemäß § 613 a BGB allein ankommt, Mit­glied im Arbeit­ge­berver­band ohne Tar­if­bindung gewor­den ist (sog. OT-Mit­glied), erweist sich diese OT-Mit­glied­schaft als rechtswirk­sam, mit der Folge, dass die Beklagte ger­ade nicht an die Tar­ifverträge des Einzel­han­dels nor­ma­tiv gebun­den ist.
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2.1 Grund­sät­zlich begrün­det die Mit­glied­schaft in einem tar­if­schließen­den Arbeit­ge­berver­band die Gebun­den­heit an die von dem Ver­band abgeschlosse­nen Tar­ifverträge (§ 3 Abs. 1 TVG). Nach der Recht­sprechung des Bun­de­sar­beits­gerichts (vgl. z.B. BAG vom 4 AZR 797/13 – mwN), der sich die erken­nende Kam­mer anschließt, kann ein Arbeit­ge­berver­band jedoch auf­grund der ihm durch Art. 9 Abs. 3 GG ver­liehenen Satzungsau­tonomie (BVer­fG 1. März 1979 — 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78 — zu C IV 1 der Gründe, BVer­fGE 50, 290) in sein­er Satzung einen geson­dert geregel­ten Sta­tus der Mit­glied­schaft vorse­hen, der eine Gebun­den­heit an die vom Ver­band abgeschlosse­nen Tar­ifverträge auss­chließt (BAG 19. Juni 2012 — 1 AZR 775/10 — Rn. 16, BAGE 142, 98; 22. April 2009 — 4 AZR 111/08 — Rn. 27, BAGE 130, 264; 4. Juni 2008 — 4 AZR 419/07 — Rn. 25 ff., BAGE 127, 27; 18. Juli 2006 — 1 ABR 36/05 — BAGE 119, 103). Eine solche Regelung wider­spricht regelmäßig wed­er ein­fachem Recht noch Ver­fas­sungsrecht (dazu ausf. BAG 4. Juni 2008 — 4 AZR 419/07 — Rn. 26 ff., 33 ff.). Die Begrün­dung ein­er OT-Mit­glied­schaft in einem Arbeit­ge­berver­band set­zt voraus, dass es für diese Mit­glied­schafts­form zu dem Zeit­punkt, in dem ein bish­eriges „Vollmit­glied“ eine reine OT-Mit­glied­schaft begrün­den will, eine wirk­same satzungsmäßige Grund­lage gibt (BAG 26. August 2009 — 4 AZR 294/08 — Rn. 32 — EzA § 3 TVG Nr 33). Dazu muss die Satzung wegen des im Hin­blick auf die ver­fas­sungsrechtlich geschützte Tar­i­fau­tonomie erforder­lichen Gle­ich­laufs von Ver­ant­wortlichkeit und Betrof­fen­heit hin­sichtlich tar­if­poli­tis­ch­er Entschei­dun­gen eine klare und ein­deutige Tren­nung der Befug­nisse von Mit­gliedern mit und solchen ohne Tar­ifge­bun­den­heit vorse­hen (vgl. nur BAG 22. April 2009 — 4 AZR 111/08 — Rn. 27 f., BAGE 130, 264; bestätigt durch BVer­fG 1. Dezem­ber 2010 — 1 BvR 2593/09 -; BAG 21.01.2015 – 4 AZR 797/13). So darf es OT-Mit­gliedern nicht möglich sein, unmit­tel­bar Ein­fluss auf tar­if­poli­tis­che Entschei­dun­gen des Ver­ban­des zu nehmen. Sie dür­fen nicht in Tar­ifkom­mis­sio­nen entsandt wer­den und den Ver­band im Außen­ver­hält­nis tar­if­poli­tisch vertreten. Sie sind von der Ver­fü­gungs­ge­walt über einen Streik- oder Aussper­rungs­fonds auszuschließen. Ein Stimm­recht bei Abstim­mungen über die Fes­tle­gung von tar­if­poli­tis­chen Zie­len oder die Annahme oder Ablehnung von Tar­ifver­hand­lungsergeb­nis­sen ist auszuschließen. Die Mitwirkung von OT-Mit­gliedern bei tar­if­poli­tis­chen Fra­gen mit nur bera­ten­der Stimme ist hinge­gen unbe­den­klich (BAG 21.01.2015 – 4 AZR 797/13 – Rn 19 — BAGE 150, 304–329 mwN).
31
2.2 Im vor­liegen­den Fall fehlt es an ein­er Tar­ifge­bun­den­heit der Beklagten, die eine nor­ma­tive Wirkung des in Anspruch genomme­nen Ent­gelt­tar­ifver­trages begrün­den kön­nte. Die Beklagte hat allen­falls eine OT-Mit­glied­schaft im Arbeit­ge­berver­band begrün­det, die sich nach der Satzung des Einzel­han­delsver­ban­des Berlin-Bran­den­burg als rechtswirk­sam erweist.
32
2.2.1 Dar­legungs- und beweispflichtig für die bei­der­seit­ige Tar­ifge­bun­den­heit ist im Prozess nach den all­ge­meinen zivil­prozes­sualen Regelun­gen der­jenige, der seinen Anspruch auf die tar­i­flichen Nor­men stützt (vgl. BAG 18.08.1999 – 4 AZR 247/98 – AP TVG § 3 Nr. 22). Da jedoch bei­de Seit­en in der Regel keine Ken­nt­nis davon haben, ob die Gegen­seite tar­ifge­bun­den ist, gilt eine abgestufte Dar­legungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO). Behauptet eine Partei, dass der Geg­n­er Mit­glied ein­er tar­ifver­tragss­chließen­den Partei ist, muss die Gegen­seite dies sub­stan­ti­iert bestre­it­en (ErfKo-Franzen § 3 TVG Rz. 45).
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2.2.2 Die Klägerin hat eine Mit­glied­schaft der Beklagten im Arbeit­ge­berver­band unter Hin­weis auf die prozes­suale Vertre­tung der Beklagten vor dem Lan­desar­beits­gericht durch Ver­bandsvertreter zunächst hin­re­ichend sub­stan­ti­iert behauptet. Gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 4 ArbGG kön­nen Ver­bände nur ihre Mit­glieder vor der Arbeits­gerichts­barkeit vertreten. Insofern spricht der Umstand der Vertre­tung dafür, dass die Beklagte Mit­glied im Han­delsver­band Berlin-Bran­den­burg ist.
34
Diesem Vor­trag ist die Beklagte jedoch ihrer­seits sub­stan­ti­iert mit ihren Dar­legun­gen zu den Vere­in­barun­gen ein­er OT-Mit­glied­schaft der H.-Süßwarenfachgeschäfte GmbH ent­ge­genge­treten, der von der Klägerin nicht bestrit­ten wurde. Danach hat die Beklagte allen­falls eine Mit­glied­schaft ohne Tar­if­bindung begründet.
35
Mit Vere­in­barung vom 16.07.2014/17.07.2014 und 21.07.2014 unterze­ich­neten die Geschäfts­führer der H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH rück­wirk­end zum 02.05.2014 eine Vere­in­barung über eine OT-Mit­glied­schaft der H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH in den jew­eils region­al zuständi­gen Einzel­han­delsver­bän­den, in deren Auf­trag der Han­delsver­band Nor­drhein-West­falen (HV-NRW) und der Han­delsver­band Deutsch­land (HDE) diese Vere­in­barung geschlossen haben. Bedenken an der Wirk­samkeit dieser Vere­in­barung beste­hen nicht und wer­den auch von der Klägerin nicht gel­tend gemacht. Mit dieser Vere­in­barung wurde die Rechtsvorgän­gerin der Beklagten, die H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH, OT-Mit­glied auch im Han­delsver­band Berlin-Bran­den­burg, dem für die Fil­iale der Klägerin zuständi­gen Arbeit­ge­berver­band. Nach § 3 Nr. 3 der Satzung des Ver­ban­des führt die zen­trale Mit­glied­schaft im HDE zugle­ich zu ein­er Mit­glied­schaft im Han­delsver­band Berlin-Bran­den­burg. Mit der (erneuten) Vere­in­barung ein­er OT-Mit­glied­schaft wur­den zugle­ich etwa noch beste­hende frühere Vere­in­barun­gen über eine Mit­glied­schaft der H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH mit Tar­if­bindung abgeän­dert. In der Vere­in­barung kommt hin­re­ichend zum Aus­druck, dass die H. Süßwaren Fachgeschäfte GmbH Mit­glied ohne Tar­if­bindung sein wollte. Auf den Stre­it der Parteien über frühere Beitritte und OT-Mit­glied­schaften kam es daher nicht mehr an.
36
Diese Mit­glied­schaft bestand mit Ein­tra­gung der Beklagten und der Ver­schmelzung der Beklagten mit der H. Süßwaren­fachgeschäfte GmbH für die Beklagte fort. Dies ergibt sich zum einen aus der Ausle­gung der Vere­in­barung, zum anderen aus der Satzung des HBB. Die Vere­in­barung sollte nicht nur für die H. Süßwaren­fachgeschäfte abgeschlossen wer­den. Dies zeigt sich schon darin, dass sie erst nach der Ver­schmelzung abgeschlossen wurde, aber auf Dauer gedacht war, also auch die Zeit nach der Ver­schmelzung umfassen sollte. Dazu waren die bei­den Unterze­ich­n­er auf Arbeit­ge­ber­seite berechtigt. Sie waren bere­its bei Unterze­ich­nung Geschäfts­führer der Beklagten. Zudem sieht die Satzung des Han­delsver­bands Berlin-Bran­den­burg vor, dass die Mit­glied­schaft bei Fortbe­stand der Iden­tität des Unternehmens im Falle des Über­gangs durch Erb­folge, Schenkung oder Rechts­geschäft beste­hen bleibt (§ 6 b Satz 2). Damit ist für Fälle wie hier die Regelung in § 38 BGB, wonach die Mit­glied­schaft nicht über­trag­bar und nicht vererblich ist, abbedungen.
37
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es auch dann an ein­er Tar­if­bindung der Beklagten fehlen würde, wenn die Vere­in­barung auss­chließlich für die H. Süßwaren­fachgeschäfte abgeschlossen wor­den wäre und nicht auf die Beklagte überge­gan­gen wäre. Denn dann wäre die Beklagte man­gels Erwerbs ein­er Mit­glied­schaft durch Beitritt oder Vere­in­barung nicht Mit­glied in einem Arbeit­ge­berver­band gewor­den. Etwa gel­tende Tar­ifverträge wären nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch sta­tisch anwend­bar (ErfKo UmwG § 20 Rn 4) und kön­nten zur Begrün­dung des jet­zi­gen Anspruchs nicht mehr herange­zo­gen wer­den. Soweit das Bun­de­sar­beits­gericht in der von der Klägerin zitierten Entschei­dung vom 24.06.1998 (4 AZR 208/97 – NZA 1998 1346) davon aus­ge­gan­gen ist, ein Fir­men­tar­ifver­trag gehe nach § 20 Abs. 1 UmwG auf den Übernehmer über, ist dieser Fall hier nicht anwend­bar, da es unstre­it­ig um die Anwend­barkeit von Ver­band­star­ifverträ­gen geht, deren Gel­tung auss­chließlich über die Mit­glied­schaft des Arbeit­ge­bers ver­mit­telt wird.
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2.2.3 Der Erwerb der OT-Mit­glied­schaft war wirk­sam. Die im Zeit­punkt der Vere­in­barung gel­tende Satzung des Han­delsver­ban­des entspricht den oben genan­nten Maß­gaben, um eine unmit­tel­bare Ein­flussnahme der OT-Mit­glieder am Tar­ifgeschehen zu ver­mei­den. Das Beru­fungs­gericht nimmt auf die aus­führliche Begrün­dung des Arbeits­gerichts insoweit Bezug und sieht von ein­er eige­nen, lediglich wieder­holen­den Begrün­dung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
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2.3 Ist die Beklagte aber nur Mit­glied ohne Tar­if­bindung im Arbeit­ge­berver­band, find­et der von der Klägerin für den Anspruch auf Weit­er­gabe der Tar­i­flohn­er­höhun­gen ab Sep­tem­ber 2017 herange­zo­gene Tar­ifver­trag über Gehäl­ter, Löhne und Aus­bil­dungsvergü­tun­gen für den Berlin­er Einzel­han­del vom 1. Juli 2017 keine nor­ma­tive Anwen­dung auf das Arbeitsver­hält­nis der Klägerin. Den erstin­stan­zlich noch gel­tend gemacht­en Anspruch aus einzelver­traglich­er Vere­in­barung macht die Klägerin im Beru­fungsver­fahren (zu Recht) nicht mehr geltend.
40
3. Aus diesen Grün­den war die Klage unbe­grün­det, die Beru­fung der Klägerin zurück­zuweisen, mit der Folge, dass die Klägerin die Kosten ihres erfol­glosen Rechtsmit­tels zu tra­gen hat.
41
4. Die Zulas­sung der Revi­sion kam nicht in Betra­cht, da die geset­zlichen Voraus­set­zun­gen hier­für nicht vorlagen.

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