(Stuttgart) Der von einem Arbeitnehmer gezeigte Abkehrwille, etwa durch Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch, reicht nicht ohne weiteres, um ein Arbeitsverhältnis wirksam zu kündigen.

Darauf verweist der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter „Bremen” des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V., unter Hinweis auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern vom 5. März 2013 (Az.: 5 Sa 106/12).

In dem Fall war der Kläger seit dem 1. April 2010 als Abteilungsleiter Reha-Technik in einem Sanitärfachhandel angestellt. Der Kläger bewarb sich dann auf eine ausgeschriebene Stelle einer kommunalen gemeinnützigen GmbH und wurde zu einem öffentlichen Vorstellungsgespräch eingeladen. Diese Vorstellung erfolgte am 22. August 2011. Der Kläger war auf Grund einer Krankschreibung vom 8. August 2011 bis zum 24. August 2011 arbeitsbefreit. Die Lokalpresse berichtete am nächsten Tag über die Vorstellung der Kandidaten. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich, wogegen der Arbeitnehmer Klage erhob.

Das Landesarbeitsgericht gab der Klage des Arbeitnehmers statt, so Franzen.

Allein die Teilnahme an einem Bewerbungsgespräch stellt nach Auffassung des Gerichts keinen Kündigungsgrund dar. Solange der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllt, kann ihm grundsätzlich nicht vorgeworfen werden, dass er sich nach einem anderen Arbeitsplatz umschaue. Denn das Grundgesetz gewähre dem Arbeitnehmer die freie Arbeitsplatzwahl. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts halten die Mecklenburgischen Richter eine Kündigung allenfalls dann für gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zu Gunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässigt oder wenn der Arbeitgeber die Chance habe, für den abkehrwilligen Arbeitnehmer eine andere Person einzustellen. Dazu hatte der Arbeitgeber in dem Verfahren aber nichts vorgetragen.

Der Kläger hat sich auch nicht pflichtwidrig verhalten, weil er den Vorstellungstermin während seiner Arbeitsunfähigkeit wahrgenommen hat. Das hatte zwar darauf hingewiesen, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen seines öffentlichen Auftritts während der Krankschreibung erschüttert sein könnte. Der Kläger hat daraufhin seine Behauptung der Erkrankung unter Hinweis auf die medizinischen Ursachen aufrechterhalten und den ihn behandelnden Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Das beweisbelastete Unternehmen hat diese Chance nicht genutzt, um den Nachweis zu führen, dass tatsächlich gar keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Das Gericht hat deshalb den Auftritt des Klägers während seiner Arbeitsunfähigkeit weder als genesungswidriges Verhalten noch als Arbeitsverweigerung gewertet. Im Übrigen habe ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seiner Ausfallzeit durch sein eigenes Verhalten zwar dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwindet. Das bedeutet aber nicht, dass er stets nur das Bett zu hüten habe oder die eigene Wohnung nicht verlassen dürfe. Vielmehr ist jeweils auf die vorliegende Krankheit abzustellen, um ermessen zu können, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt sind.

Die Ausführungen des Gerichts zum Auftritt des Klägers dürfen nicht als Freibrief für die Arbeitnehmer verstanden werden, betont Franzen. Denn grundsätzlich können sich Arbeitsunfähigkeit und die Teilnahme an einem Vorstellungstermin ausschließen. Das Gericht hat diese Frage nicht abschließend entschieden, weil das beklagte Unternehmen in der Beweislast war und dieser nicht nachgekommen ist. Wer sich nur deswegen krank meldet oder krankschreiben lässt, um einen Vorstellungstermin wahrnehmen zu können, muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durchaus damit rechnen, dass eine daraufhin ausgesprochene außerordentliche Kündigung von den Arbeitsgerichten als wirksam angesehen wird.

Franzen empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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