(Stuttgart) Das Bun­desver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat entsch­ieden, dass ein­er schwer­be­hin­derten Bewer­berin um ein Richter­amt in Baden-Würt­tem­berg und in Bay­ern jew­eils eine Entschädi­gung nach dem All­ge­meinen Gle­ich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) zuste­ht, weil sie nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ein­ge­laden wurde. 

Die Ver­fahren wur­den wegen fehlen­der Fest­stel­lun­gen zur angemesse­nen Höhe der Entschädi­gung an den Ver­wal­tungs­gericht­shof Mannheim und an den Ver­wal­tungs­gericht­shof München zurück­ver­wiesen. 

Darauf ver­weist der Köl­ner Fachan­walt für Arbeit­srecht Frhr. Fen­i­more von Bre­dow, Vizepräsi­dent des VdAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Urteile des Bun­desver­wal­tungs­gerichts vom 3. März 2011 (BVer­wG 5 C 15.10 und 16.10).

Die 1967 geborene Klägerin hat­te nach län­geren Zeit­en der Beruf­stätigkeit Rechtswis­senschaft studiert. Das Erste und Zweite Juris­tis­che Staat­sex­a­m­en hat sie jew­eils mit der Gesamt­note “befriedi­gend” bestanden. Im Jahr 2007 bewarb sie sich in Baden-Würt­tem­berg und Bay­ern erfol­g­los um Ein­stel­lung in den höheren Jus­tiz­di­enst als Rich­terin. Sie wurde in bei­den Län­dern nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ein­ge­laden, weil sie — so das Baden-Würt­tem­ber­gis­che Jus­tizmin­is­teri­um und das Bay­erische Arbeitsmin­is­teri­um — mit ihren Exa­m­en­snoten das Anforderung­spro­fil nicht erfülle. Die Klägerin forderte daraufhin eine Entschädi­gung nach dem All­ge­meinen Gle­ich­be­hand­lungs­ge­setz (§ 15 Abs. 2 AGG ). Der öffentliche Arbeit­ge­ber habe sie auf­grund ihrer Gle­ich­stel­lung mit schwer­be­hin­derten Men­schen zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ein­laden müssen. Das Unterbleiben der Ein­ladung lasse ver­muten, dass er sie wegen ihrer Behin­derung benachteiligt habe. Ihre bei­den auf Zahlung ein­er Entschädi­gung in Höhe von max­i­mal drei Monats­ge­häl­tern (jew­eils etwa 12 000 €) gerichteten Kla­gen haben die Vorin­stanzen abgewiesen.

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hat die Entschei­dun­gen des Ver­wal­tungs­gericht­shofs Mannheim sowie des Ver­wal­tungs­gericht­shofs München aufge­hoben und die Ver­fahren zur Klärung der angemesse­nen Höhe ein­er von den beklagten Län­dern zu zahlen­den Entschädi­gung zurück­ver­wiesen, betont von Bredow.

Die Klägerin hat Anspruch auf eine Entschädi­gung, weil sie ent­ge­gen der geset­zlichen Verpflich­tung öffentlich­er Arbeit­ge­ber (nach § 82 Satz 2 und 3 SGB Neuntes Buch — Reha­bil­i­ta­tion und Teil­habe behin­dert­er Men­schen ‑SGB IX — ) nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ein­ge­laden wurde.

Der öffentliche Arbeit­ge­ber ist verpflichtet, schwer­be­hin­derte Men­schen, die sich um eine freie Stelle bewer­ben, zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzu­laden. Diese Ein­ladung darf nach dem Gesetz nur dann unterbleiben, wenn die fach­liche Eig­nung des schwer­be­hin­derten Bewer­bers offen­sichtlich fehlt. Der Dien­s­therr darf neben ein­er nachgewiese­nen beru­flichen Qual­i­fika­tion auf Exa­m­en­snoten nur abstellen, wenn er ein bes­timmtes Noten­niveau vor­ab und bindend in einem Anforderung­spro­fil für die zu beset­zende Stelle fest­gelegt hat. Das war nach den Fest­stel­lun­gen der Ver­wal­tungs­gericht­shöfe im Jahr 2007 für Richter­stellen wed­er in Baden-Würt­tem­berg noch in Bay­ern der Fall. Danach war es rechtswidrig, die Klägerin, die mit dem Zweit­en Staat­sex­a­m­en unstre­it­ig die Befähi­gung zum Richter­amt erwor­ben hat, nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzu­laden. Dies begrün­det (nach § 22 AGG) die geset­zliche Ver­mu­tung dafür, dass die Klägerin durch Voren­thal­tung der geset­zlichen Besser­stel­lung benachteiligt wurde. Diese ver­botene Diskri­m­inierung im Ein­stel­lungsver­fahren verpflichtet zu ein­er Entschädi­gung auch dann, wenn die Klägerin im Ergeb­nis bei benachteili­gungs­freier Auswahl wegen ihrer Noten nicht eingestellt wor­den wäre.

Die Ver­wal­tungs­gericht­shöfe haben aus ihrer abwe­ichen­den Sicht fol­gerichtig keine Fest­stel­lun­gen zur Höhe ein­er angemesse­nen, nach dem Gesetz auf höch­stens drei Monats­ge­häl­ter beschränk­te Entschädi­gung getrof­fen. Deshalb kon­nte das Bun­desver­wal­tungs­gericht nicht abschließend selb­st über die Entschädi­gungssumme entscheiden.

Von Bre­dow emp­fahl, dies zu beacht­en und bei Fra­gen zum Arbeit­srecht Recht­srat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VdAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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Frhr. Fen­i­more von Bre­dow
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeit­srecht
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