(Stuttgart)  Der Arbeit­ge­ber darf den Stel­len­be­wer­ber grund­sät­zlich nicht nach eingestell­ten strafrechtlichen Ermit­tlungsver­fahren fra­gen. Eine solche unspez­i­fizierte Frage ver­stößt gegen Daten­schutzrecht und die Wer­tentschei­dun­gen des § 53 Bun­deszen­tral­reg­is­terge­setz (BZRG).

Stellt der Arbeit­ge­ber die Frage den­noch und verneint der Bewer­ber in Wahrnehmung seines infor­ma­tionellen Selb­st­bes­tim­mungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermit­tlungsver­fahren anhängig waren, darf der Arbeit­ge­ber das zwis­chen­zeitlich begrün­dete Arbeitsver­hält­nis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteil­ten Auskun­ft kündigen

Darauf ver­weist der Stuttgarter Fachan­walt für Arbeit­srecht Michael Henn, Präsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) vom 15.11.2012 zu seinem Urteil vom sel­ben Tage, Az. 6 AZR 339/11.Der 1961 geborene Kläger bewarb sich als sog. Seit­ene­in­steiger im Som­mer 2009 als Lehrer an ein­er Hauptschule in Nor­drhein-West­falen. Vor sein­er Ein­stel­lung wurde er aufge­fordert, auf einem Vor­druck zu erk­lären, ob er vorbe­straft sei, und zu ver­sich­ern, dass gegen ihn kein Ermit­tlungsver­fahren der Staat­san­waltschaft anhängig sei oder inner­halb der let­zten drei Jahre anhängig gewe­sen sei. Der Kläger unterze­ich­nete den Vor­druck, ohne Angaben zu etwaigen Ermit­tlungsver­fahren zu machen. Er wurde zum 15. Sep­tem­ber 2009 eingestellt. Im Okto­ber 2009 erhielt die zuständi­ge Bezirk­sregierung einen anony­men Hin­weis, der sie ver­an­lasste, die Staat­san­waltschaft um Mit­teilung strafrecht­srel­e­van­ter Vor­fälle zu bit­ten. Die daraufhin über­sandte Vor­gangsliste wies mehrere nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermit­tlungsver­fahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsver­hält­nis außeror­dentlich, hil­f­sweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermit­tlungsver­fahren unrichtig beant­wortet habe. Der Kläger hält die Kündi­gung für unwirk­sam. Bere­its eingestellte Ermit­tlungsver­fahren habe er nicht angeben müssen.

Das Arbeits­gericht hat die außeror­dentliche Kündi­gung, das Lan­desar­beits­gericht auch die ordentliche Kündi­gung als unwirk­sam ange­se­hen. Die hierge­gen ein­gelegte Revi­sion des beklagten Lan­des blieb vor dem Sech­sten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts ohne Erfolg, so Henn.

Eine Erhe­bung von Dat­en, wie sie die unspez­i­fizierte Frage nach Ermit­tlungsver­fahren darstellt, ist nach den daten­schutzrechtlichen Bes­tim­mungen in Nor­drhein-West­falen nur zuläs­sig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betrof­fene ein­willigt. Solche Infor­ma­tio­nen zu abgeschlosse­nen Ermit­tlungsver­fahren sind für die Bewer­bung um eine Stelle als Lehrer nicht erforder­lich und damit nicht durch § 29 des Daten­schutzge­set­zes Nor­drhein-West­falen ges­tat­tet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beant­wor­tung der Frage nach Ermit­tlungsver­fahren gestützte Kündi­gung ver­stieß deshalb gegen die objek­tive Wer­tord­nung des Grundge­set­zes, wie sie im Recht auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung, bei dem es sich um eine Aus­prä­gung des all­ge­meinen Per­sön­lichkeit­srechts (Art. 2 Abs. 1 GG) han­delt, zum Aus­druck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

Henn emp­fahl, die Entschei­dung zu beacht­en und in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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