(Stuttgart) Entwen­det eine Verkäuferin Zigaret­ten­pack­un­gen aus dem Warenbe­stand des Arbeit­ge­bers, kann dies auch nach län­ger­er — im Stre­it­fall zehn­jähriger — Betrieb­szuge­hörigkeit eine Kündi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es recht­fer­ti­gen. Führte eine verdeck­te Videoüberwachung zur Über­führung der Täterin, kann das auf diese Weise gewonnene Beweis­ma­te­r­i­al im Bestre­it­ens­fall prozes­su­al allerd­ings nicht ohne Weit­eres ver­w­ertet werden.

Darauf ver­weist der Kiel­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Jens Klar­mann, Vizepräsi­dent des VDAA  — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) vom 19. Juni 2012 zu seinem Urteil vom sel­ben Tage, Az.: 2 AZR 153/11.

Das entsprechende Inter­esse des Arbeit­ge­bers hat gegenüber dem Schutz des infor­ma­tionellen Selb­st­bes­tim­mungsrechts der Arbeit­nehmerin nur dann höheres Gewicht, wenn die Art der Infor­ma­tions­beschaf­fung trotz der mit ihr ver­bun­de­nen Per­sön­lichkeits­beein­träch­ti­gung als schutzbedürftig zu qual­i­fizieren ist. Dies ist bei verdeck­ter Videoüberwachung nur dann der Fall, wenn der konkrete Ver­dacht ein­er straf­baren Hand­lung oder ein­er anderen schw­eren Ver­fehlung zu Las­ten des Arbeit­ge­bers bestand, es keine Möglichkeit zur Aufk­lärung durch weniger ein­schnei­dende Maß­nah­men (mehr) gab und die Videoüberwachung ins­ge­samt nicht unver­hält­nis­mäßig war. Unter diesen stren­gen Voraus­set­zun­gen wiederum ste­hen Vorschriften des Bun­des­daten­schutzge­set­zes (BDSG) der verdeck­ten Videoüberwachung auch an öffentlich zugänglichen Arbeit­splätzen nicht ent­ge­gen. Zwar bes­timmt § 6b Abs. 2 BDSG, dass bei Videoaufze­ich­nun­gen in öffentlich zugänglichen Räu­men der Umstand der Beobach­tung und die ver­ant­wortliche Stelle erkennbar zu machen sind. Bei einem Ver­stoß gegen diese Pflicht wird aber nicht jed­wede Videoüberwachungs­maß­nahme an öffentlich zugänglichen Arbeit­splätzen per se unzulässig.

In Anwen­dung dieser Grund­sätze, so Klar­mann, hat der Zweite Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts die Entschei­dung der Vorin­stanz aufge­hoben, soweit diese die Kündi­gungss­chutzk­lage ein­er Verkäuferin abgewiesen hat. 

Die Beklagte ist ein bun­desweit tätiges Einzel­han­del­sun­ternehmen. Die Klägerin war bei ihr zulet­zt als stel­lvertre­tende Fil­iallei­t­erin beschäftigt. Für drei Wochen im Dezem­ber 2008 instal­lierte die Beklagte mit Zus­tim­mung des Betrieb­srats verdeck­te Videokam­eras in den Verkauf­s­räu­men. Sie hat gel­tend gemacht, es habe der Ver­dacht bestanden, dass auch Mitar­bei­t­er­dieb­stäh­le zu hohen Inven­tur­dif­feren­zen beige­tra­gen hät­ten. Auf dem Mitschnitt sei zu sehen, wie die Klägerin bei zwei Gele­gen­heit­en jew­eils zumin­d­est eine Zigaret­ten­pack­ung aus dem Warenbe­stand entwen­det habe. Die Beklagte kündigte das Arbeitsver­hält­nis frist­los, hil­f­sweise frist­gerecht. Die Klägerin hat bestrit­ten, Zigaret­ten entwen­det zu haben. Nach Ein­nahme des Augen­scheins in die Videoaufze­ich­nun­gen hat das Lan­desar­beits­gericht den Kündi­gungsvor­wurf als erwiesen erachtet und die Klage gegen die ordentliche Kündi­gung abgewiesen. 

Der Sen­at hat die Sache zur weit­eren Aufk­lärung an das Lan­desar­beits­gericht zurück­ver­wiesen. Zwar ist die Würdi­gung des Lan­desar­beits­gerichts nicht zu bean­standen, die — allein noch im Stre­it ste­hende — ordentliche Kündi­gung sei nach dem zugrunde gelegten Sachver­halt sozial gerecht­fer­tigt. Es ste­ht aber noch nicht fest, ob die Voraus­set­zun­gen für eine prozes­suale Ver­w­er­tung der Videoaufze­ich­nun­gen gegeben sind.

Klar­mann emp­fahl, dies beacht­en sowie in Zweifels­fällen um Recht­srat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies. 

 

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