Bun­de­sar­beits­gericht stärkt Arbeit­nehmer­rechte bei Vertragsgestaltung

(Stuttgart) In Zeit­en des Fachkräfte­man­gels greifen viele Unternehmen auf Per­son­alver­mit­tlun­gen zurück, um offene Stellen zu beset­zen. Dieser Ser­vice kostet Arbeit­ge­ber. Daher schmerzt es umso mehr, wenn der so gewonnene Mitar­beit­er zeit­nah kündigt. Gle­ich­wohl: Eine Regelung im Arbeitsver­trag, wonach im Falle ein­er Arbeit­nehmerkündi­gung dieser dem Arbeit­ge­ber die Kosten des head­hunters erstat­ten muss, ist nach dem Bun­de­sar­beits­gericht unwirk­sam.  

Die arbeit­srechtliche Lage fasst der Ham­burg­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott zusam­men. 

Fachkräfte­man­gel stellt Unternehmen vor Her­aus­forderun­gen 

Der Fachkräfte­man­gel bewegt sich nach aktuellen Stu­di­en auf Reko­rd­niveau: So kon­nten nach ein­er IW-Studie (Insti­tut der deutschen Wirtschaft) im Jahr 2022 deutsch­landweit rech­ner­isch mehr als 630.000 Stellen auf­grund Fehlens qual­i­fiziert­er Bewer­ber nicht beset­zt wer­den. Viele Unternehmen greifen daher auf Per­son­alver­mit­tlun­gen und head­hunter zurück, um ihre offe­nen Stellen zu beset­zen. Dieser Ser­vice kostet aber – Ver­mit­tlungsent­gelte bis zu mehreren Monats­ge­häl­tern sind dafür bei ein­er erfol­gre­ichen Platzierung zu zahlen.

Umso ärg­er­lich­er für das Unternehmen ist es dann aber, wenn der so gewonnene neue Mitar­beit­er schon nach kurz­er Zeit kündigt und das Unternehmen erneut die Stelle beset­zen muss – unter Umstän­den erneut unter Ein­satz eines headhunters.

Klausel im Arbeitsver­trag: Rück­zahlung der headhunter-Provision

Ein find­i­ger Arbeit­ge­ber wollte diesem Risiko ent­ge­hen und sah in seinem Arbeitsver­trag eine Rück­zahlungsklausel vor. Denn dieser hat­te über einen Per­son­alver­mit­tler einen Ser­vice-Tech­niker für den Außen­di­enst gewon­nen, der auch zum 1. Mai 2021 wie gewün­scht seinen Dienst antrat. Der head­hunter ver­langte für die erfol­gre­iche Ver­mit­tlung vom Unternehmen eine Pro­vi­sion von knapp EUR 6.700,-. Zwei Drit­tel davon waren mit Abschluss des Arbeitsver­trags zu zahlen, ein weit­eres Drit­tel nach Ablauf der Probezeit fällig.

Das Unternehmen hat­te dazu in seinem Arbeitsver­trag eine Regelung vorge­se­hen, wonach sich der Arbeit­nehmer zur Rück­zahlung der durch den Arbeit­ge­ber an den head­hunter gezahlten Beträge unter anderem dann verpflichtete, wenn das Arbeitsver­hält­nis vor dem 30. Juni 2022 „aus vom Arbeit­nehmer zu vertre­tenden Grün­den“ wieder gekündigt würde.

Dazu kam es auch: Nach­dem der Kläger sein Arbeitsver­hält­nis frist­gerecht zum 30. Juni 2021 gekündigt hat­te, behielt das Unternehmen unter Ver­weis auf die arbeitsver­tragliche Regelung von der für den Monat Juni 2021 abgerech­neten Vergü­tung des Arbeit­nehmers einen Teil­be­trag ein und ver­langte vom Arbeit­nehmer Ersatz der bere­its an den head­hunter gezahlten Provision.

Bun­de­sar­beits­gericht: Unangemessene Benachteili­gung des Arbeit­nehmers 

Mit sein­er Zahlungsklage unter­lag der Arbeit­ge­ber vor dem Bun­de­sar­beits­gericht (Urt. v. 20. Juni 2023, Az.: 1 AZR 265/22 = Pressemit­teilung Nr. 19/23).

Die höch­sten deutschen Arbeit­srichter sahen in der ver­traglichen Gestal­tung eine unwirk­same Regelung, da diese den Arbeit­nehmer unangemessen benachteilige. Denn der Arbeit­nehmer werde dadurch in dem ver­fas­sungsrechtlich geschützten Recht auf freie Wahl des Arbeit­splatzes beeinträchtigt.

„Nach dem Bun­de­sar­beits­gericht trägt der Arbeit­ge­ber das unternehmerische Risiko, dass sich die von ihm getätigten Aufwen­dun­gen für die Per­son­albeschaf­fung auch lohnen“, ord­net Arbeit­srechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott die Entschei­dung ein. „Ein Arbeit­nehmer, der in rechtlich zuläs­siger Weise sein Arbeitsver­hält­nis been­det, darf danach nicht mit den Per­son­al­gewin­nungskosten belastet wer­den“, so Arbeit­spro­fes­sor Fuhlrott.

Andere ver­tragliche Regelun­gen kön­nen wirk­sam sein

Arbeit­ge­ber kön­nen indes andere Gestal­tungsmod­elle wählen, um die Beschäftigten zu binden. Dafür böten sich auch rechtliche Möglichkeit­en an, erläutert der Ham­burg­er Fachan­walt: „Unternehmen dür­fen etwa Ver­tragsstrafen vere­in­baren, wenn ein Arbeit­nehmer seinen Arbeit­splatz nicht antritt oder mit ein­er zu kurzen Frist kündigt“, so Prof. Dr. Fuhlrott.

„Auch wenn ein Unternehmen den Umzug des Arbeit­nehmers finanziert hat, ist eine Rück­zahlungsvere­in­barung zu den Umzugskosten möglich. Denn hier­bei han­dele es sich um Kosten, die dem Arbeit­nehmer entste­hen und auch für ihn vorteil­haft sind“, begrün­det der Arbeit­srechtler den Unter­schied. „Denkbar ist zudem eine ver­traglich bere­its angelegte Steigerung des Gehalts nach der Probezeit oder die Zahlung ein­er Antrittsprämie, also ein­er sog. sign on fee, in Tranchen, um länger­fristige Anreize zu set­zen“, erk­lärt Fuhlrott. 

Attrak­tives Arbeitsumfeld

Selb­st wenn man durch entsprechende Gestal­tung der Arbeitsverträge eini­gen Risiken vor­bauen könne, bleibe aber zu beacht­en: „Das wichtig­ste Mit­tel zur langfristi­gen Sicherung zufrieden­er Mitar­beit­er ist ein attrak­tives Arbeit­sum­feld. Denn auch die beste arbeitsver­tragliche Absicherung hil­ft nicht wirk­lich, wenn der Arbeit­nehmer wech­sel­willig ist und wom­öglich inner­lich kündigt“, gibt Arbeit­srechtler Prof. Dr. Fuhlrott zu Bedenken.

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Prof. Dr. Michael Fuhlrott
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