Ober­stes deutsches Arbeits­gericht trifft weg­weisende Entschei­dung zur Stärkung der Lohngerechtigkeit

(Stuttgart) Gle­iche Arbeit muss gle­ich bezahlt wer­den – unab­hängig davon, welch­es Geschlecht der Beschäftigte hat. Das Bun­de­sar­beits­gericht sprach ein­er kla­gen­den und im Ver­gle­ich zu männlichen Kol­le­gen schlechter bezahlten Arbeit­nehmerin daher die gel­tend gemachte Lohn­dif­ferenz und Schadenser­satz wegen erlit­ten­er Diskri­m­inierung zu. Die Entschei­dung kann weitre­ichende Fol­gen für das Arbeit­sleben haben. 

Der Ham­burg­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott ord­net die Entschei­dung ein. 

Gle­ich­er Lohn für gle­iche Arbeit?

Ungle­ich­be­hand­lun­gen auf­grund des Geschlechts sind im Arbeit­sleben unter­sagt, wie u.a. das All­ge­meine Gle­ich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) bere­its in § 1 AGG vorschreibt. Wird hierge­gen ver­stoßen, kann die oder der Benachteiligte nicht nur Zahlung der wegen der Geschlechter-diskri­m­inierung einge­trete­nen Lohn­dif­ferenz für die Ver­gan­gen­heit ver­lan­gen, son­dern darüber hin­aus auch imma­teriellen Schadenser­satz für die hier­durch erlit­tene Diskri­m­inierung beanspruchen (§ 15 AGG).

Und: Der Beweis eines Diskri­m­inierungsin­diz genügt bere­its, um den Arbeit­ge­ber die Last der Recht­fer­ti­gung für den Ver­stoß aufzubür­den. Kann der Arbeit­ge­ber dies nicht, muss er zahlen – so zusam­menge­fasst die Aus­sagen ein­er aktuellen Entschei­dung des Bun­de­sar­beits­gerichts (v. 16.02.2023, Az.: 8 AZR 450/21 = Pressemit­teilung Nr. 10/23).

Da die oder der Beschäftigte zudem oft­mals nicht weiß, was die anderen Beschäftigten ver­di­enen, ste­ht ihr bzw. ihm zudem ein geset­zlich­er Auskun­ft­sanspruch zu. Das Ent­gelt­trans­paren­zge­setz (Ent­g­TranspG) gibt Beschäftigten das indi­vidu­elle Recht gegenüber ihrem Arbeit­ge­ber, Auskun­ft über das Durch­schnitts­ge­halt des jew­eils anderen Geschlechts für die ver­gle­ich­bare Tätigkeit zu erhalten.

Aktueller Fall: Gle­ich­er Lohn für gle­iche Arbeit?

Diese Grund­sätze hat das Bun­de­sar­beits­gericht in seinem aktuellen Urteil präzisiert, das wohl als bedeut­same Entschei­dung auf dem Weg hin zu ein­er Lohn­gerechtigkeit der Geschlechter führen dürfte, wie Arbeit­srechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott meint:

„Die Entschei­dung ist ein Meilen­stein in der Frage der tat­säch­lichen Gle­ich­bezahlung von Frauen und Män­nern. Sie kann dazu beitra­gen, das sta­tisch nachgewiesene gen­der pay gap effek­tiv abzubauen.“

Die höch­sten deutschen Arbeit­srich­terin­nen und Arbeit­srichter sprachen mit ihrem Urteil der gegen ihren Arbeit­ge­ber kla­gen­den Arbeit­nehmerin sowohl die Lohn­dif­ferenz der Ver­gan­gen­heit zu ihrem männlichen Kol­le­gen, als auch imma­teriellen Schadenser­satz für die hier­mit erlit­tene Geschlech­ter­diskri­m­inierung zu. Denn ein mit der gle­ichen Tätigkeit und der gle­ichen Betrieb­szuge­hörigkeit beschäftigter Kol­lege hat­te von Anfang an mehr Gehalt bekom­men, da er — so die Recht­fer­ti­gung des Arbeit­ge­bers — “ein­fach bess­er ver­han­delt” hat­te. Eine frühere Gehalt­ser­höhung bekam er auch. Dage­gen klagte die benachteiligte Arbeit­nehmerin, die nun let­ztin­stan­zlich vor dem Bun­de­sar­beits­gericht mit ihrer Klage erfol­gre­ich war.

„Besseres Ver­han­deln“ zählt als Argu­ment nicht

Denn das Argu­ment des Unternehmens ließ das Bun­de­sar­beits­gericht in sein­er heuti­gen Entschei­dung nicht gel­ten: “Eine Frau hat Anspruch auf gle­ich­es Ent­gelt für gle­iche oder gle­ich­w­er­tige Arbeit, wenn der Arbeit­ge­ber männlichen Kol­le­gen auf­grund des Geschlechts ein höheres Ent­gelt zahlt. Daran ändert nichts, wenn der männliche Kol­lege ein höheres Ent­gelt fordert und der Arbeit­ge­ber dieser Forderung nachgibt.” — so die Aus­sage der gerichtlichen Pressemit­teilung (Pressemit­teilung des BAG Nr. 10/23).

Fol­gen der Entschei­dung – Kün­ftig kein gen­der pay gap mehr?

„Fra­gen der Lohn­gerechtigkeit dürften sich nach der aktuellen Entschei­dung häu­figer vor Gericht­en stellen und zu Klagver­fahren führen,“ bew­ertet Arbeit­srechtler Fuhlrott das Urteil.

Nach der aktuellen Entschei­dung spricht aber viel dafür, dass es bei geschlechter­be­zo­ge­nen Loh­nun­gle­ich­be­hand­lun­gen als Arbeit­nehmerin zunächst reicht, die Ver­gle­ich­barkeit der Tätigkeit­en mit dem bess­er bezahlten männlichen Kol­le­gen aufzuzeigen. Sodann ist es am Arbeit­ge­ber zu begrün­den, warum der männliche Mitar­beit­er mehr ver­di­ent. Dies kann zwar im Einzelfall weit­er­hin gerecht­fer­tigt sein, etwa durch unter­schiedliche Betriebs-zuge­hörigkeit­en oder andere Erfahrungen.

„Der alleinige Umstand, dass ein ander­er aber in den Augen des Arbeit­ge­bers „bess­er“ ver­han­delt hat, wird als Argu­ment for­t­an aber nicht mehr genü­gen“, so Arbeit­srecht­san­walt Fuhlrott.

Auch sei nach der Entschei­dung davon auszuge­hen, dass Auskun­ft­sansprüche nach dem Ent­gelt­trans­paren­zge­setz kün­ftig ver­stärkt gel­tend gemacht wer­den. Kommt hier­bei eine geschlechter­be­zo­gene Loh­nun­gle­ich­be­hand­lung her­aus, kann die geringer vergütete Arbeit­nehmerin nicht nur die Gehalts­d­if­ferenz, son­dern auf­grund der erlit­te­nen Diskri­m­inierung auch einen imma­teriellen Schadenser­satz ein­kla­gen. Der Arbeit­ge­ber muss dann dar­legen, welche objek­tiv­en Gründe eine andere Bezahlung rechtfertigen.

Allerd­ings müsse die Begrün­dung der Entschei­dung für let­zte Klarheit zunächst noch abge­wartet werden:

„Maßge­blich wird sein, wie das Gericht die Stellschrauben an die prozes­suale Dar­legungs- und Beweis­last in seinen Urteils­grün­den justieren wird,“ so der Ham­burg­er Anwalt weiter.

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