(Stuttgart) In bes­timmten Bere­ichen dür­fen Arbeit­nehmer ab sofort bis 31.7.2020 12 Stun­den am Tag beschäftigt wer­den. Die Ruhezeit wurde von 11 auf 9 Stun­den reduziert.

Einen Überblick über die geset­zlichen Neuregelun­gen gibt der Ham­burg­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

Arbeit­nehmer­schutz ist ein wesentlich­es Prinzip des deutschen Arbeit­srechts. Zu den zwin­gen­den Vor­gaben zählen ins­beson­dere auch die Vor­gaben zur Arbeit­szeit, die im Arbeit­szeit­ge­setz (ArbZG) geregelt sind. Hier­nach darf grund­sät­zlich am Tag nicht mehr als 8, aus­nahm­sweise bis zu 10 Stun­den täglich gear­beit­et wer­den (§ 3 ArbZG). Nach der Arbeit muss der Arbeit­nehmer eine Ruhezeit von 11 Stun­den haben, inner­halb der­er er nicht arbeit­en darf (§ 5 Abs. 1 ArbZG). Auch Arbeit an Sonn- und Feierta­gen ist grund­sät­zlich ver­boten (§ 9 ArbZG), nur in bes­timmten Branchen wie z.B. im Bewachungs­gewerbe, auf Messen oder in Freizeit­ein­rich­tun­gen darf an diesen Tagen gear­beit­et wer­den (§ 10 ArbZG). Diese Vorschriften des ArbZG sind verbindlich. Abwe­ichun­gen sind nicht erlaubt. Nur in Aus­nah­me­fällen dür­fen Behör­den eine Aus­nahme bewil­li­gen (§§ 14, 15 ArbZG). Abwe­ichun­gen in gerin­gen Umfang sind auch über Tar­ifverträge möglich (§ 12 ArbZG).

Von diesen Vorschriften kön­nen Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer nicht abwe­ichen – selb­st wenn bei­de Seit­en dies wollen. „Frei­willigkeit ist im Arbeit­srecht ein schwieriger Begriff“, so Fuhlrott. „Ver­langt ein Arbeit­ge­ber Über­stun­den bzw. Arbeit auch an Son­nta­gen oder bis zu 12 Stun­den am Tag, so wird sich ins­beson­dere ein Arbeit­nehmer in der Probezeit zweimal über­legen, ob er diese Anfrage nach frei­williger Mehrar­beit ablehnt“, weiß Fuhlrott.

  • Änderun­gen in Zeit­en von Coro­naDie stren­gen arbeit­szeitrechtlichen Vorschriften sind in der aktuellen Sit­u­a­tion nicht immer einzuhal­ten, bei der es ohne­hin wom­öglich Per­son­aleng­pässe durch Krankheit­saus­fälle oder z.B. auch geän­dertes Kaufver­hal­ten von Kun­den gibt, die den Lebens­mit­teleinzel­han­del oder Logis­tikun­ternehmen vor beson­dere Voraus­set­zun­gen stellen.Der Geset­zge­ber hat daher bere­its mit dem Sozialschutz-Paket (Gesetz für den erle­ichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Ein­satz und zur Absicherung sozialer Dien­stleis­ter auf­grund des Coro­n­avirus SARS-CoV­‑2) vom 27.3.2020 in das ArbZG eine Aus­nah­mevorschrift einge­fügt (§ 14 Abs. 4 ArbZG neue Fas­sung), die es dem Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales (BMAS) erlaubt, im Wege ein­er Rechtsverord­nung weit­erge­hende Aus­nah­men vom Arbeit­szeitrecht vorzuse­hen.

    - COVID-19-Arbeit­szeitverord­nung zwis­chen­zeitlich in Kraft

    Eine solche Rechtsverord­nung hat das BMAS zwis­chen­zeitlich erlassen (Verord­nung zu Abwe­ichun­gen vom Arbeit­szeit­ge­setz infolge der COVID-19-Epi­demie, kurz „Covid-19-Arbeit­szeitverord­nung“). „Die Verord­nung gilt zeitlich befris­tet bis 31.7.2020. Eine Ver­längerung der Verord­nung kann aber auch erfol­gen, wenn die Ver­sorgungssi­t­u­a­tion dies erfordert“, so Fuhlrott.

    Nach der Verord­nung ist nun­mehr erlaubt:

    -Ver­längerung der werk­täglichen Arbeit­szeit auf bis zu 12 Stun­den (§ 3 Abs. 1 S. 1 Covid-19-Arbeitszeitverordnung)

    -Ver­längerung muss wegen COVID-19-Epi­demie erfol­gen und der Aufrechter­hal­tung der öffentlichen Sicher­heit und Ord­nung, des Gesund­heitswe­sens und der pflegerischen Ver­sorgung, der Daseinsvor­sorge oder zur Ver­sorgung der Bevölkerung mit exis­ten­ziellen Gütern notwendig sein (§ 3 Abs. 1 S. 3 COVID-19-Arbeitszeitverordnung)

    - Beschränkung auf bes­timmte Branchen wie z.B. Her­stellen, Ver­pack­en, Liefern, Ein­räu­men von Waren des täglichen Bedarfs, Arzneimit­teln, Desin­fek­tion­s­mit­teln, medi­zinis­ch­er Ver­sorgung und Pflege, Ver­sorgung­sun­ternehmen, Land­wirtschaft und Tier­hal­tung, Betreiber von Daten­net­zen und Rechen­zen­tren (§ 3 Abs. 2 Covid-19-Arbeitszeitverordnung)

Die Ruhezeit darf für Arbeit­nehmer in diesen Bere­ichen von 11 auf 9 Stun­den verkürzt wer­den (§ 2 Covid-19-Arbeit­szeitverord­nung) und eben­falls an Sonn- und Feierta­gen gear­beit­et wer­den (§ 3 Covid-19-Arbeit­szeitverord­nung). Diese Aus­nah­men sind zudem nur bis zum 30.6.2020 erlaubt (§ 4 Covid-19-Arbeitszeitverordnung).

  • Fol­gen für Arbeit­nehmer und Unternehmen„Arbeitnehmer, die in diesen Bere­ichen arbeit­en und der Verord­nung unter­fall­en, dür­fen daher von ihrem Arbeit­ge­ber angewiesen wer­den, nun­mehr 12 Stun­den / Tag zu arbeit­en“, so Fuhlrott. „Voraus­set­zung ist aber, dass der Arbeitsver­trag Mehrar­beit grund­sät­zlich zulässt. Dies ist aber eine Stan­dard­klausel, die sich in nahezu jedem Arbeitsver­trag find­et“, so Fuhlrott. Wer ein­er entsprechen­den Anweisung keine Folge leis­tet, riskiert damit arbeit­srechtliche Kon­se­quen­zen bis hin zum Ver­lust seines Arbeit­splatzes wegen Arbeitsverweigerung.Auch ein beste­hen­der Betrieb­srat ist zu beteili­gen, da die Verän­derung der Arbeit­szeit Mitbes­tim­mungsrechte nach dem Betrieb­sver­fas­sungs­ge­setz (BetrVG) aus­löst. Hier­nach ist die vorüberge­hende Verkürzung oder Ver­längerung der Arbeit­szeit beteili­gungspflichtig, § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. „Eine andere Frage ist, ob die Über­stun­den auch zu vergüten sind. Grund­sät­zlich muss Mehrar­beit nicht kosten­los geleis­tet wer­den“, so Fuhlrott. „Ob die Kom­pen­sa­tion aber durch einen finanziellen Aus­gle­ich oder Freizeitaus­gle­ich erfol­gt, ist Sache des Arbeit­ge­bers. Einige Verträge sehen auch eine pauschale Abgel­tung von Mehrar­beit in einem bes­timmten Umfang vor. Solche Klauseln kön­nen wirk­sam sein, wenn die pauschal vergütete Mehrar­beit begren­zt ist“, so Fuhlrott.

    Fuhlrott emp­fiehlt Arbeit­ge­bern und Arbeit­nehmern bei Unklarheit­en zur zuläs­si­gen Arbeit­szeit oder hier­mit in Zusam­men­hang ste­hen­den Vergü­tungs­fra­gen Recht­srat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.

    Prof. Dr. Michael Fuhlrott
    Rechtsanwalt
    Fachan­walt für Arbeitsrecht

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