Recht­sprechung sieht dien­stliche Ver­an­las­sung bei Abküh­lung auf Weisung des Chefs

(Stuttgart) Ver­let­zt sich ein Beschäftigter bei der Arbeit, so tritt die geset­zliche Unfal­lver­sicherung für die entste­hen­den Gesund­heitss­chä­den ein. Voraus­set­zung ist, dass es sich um einen Arbeit­sun­fall han­delt. Ein solch­er Arbeit­sun­fall kann aber auch dann vor­liegen, wenn ein Mitar­beit­er zur Abküh­lung in den Pool des Chefs springt und sich dabei verletzt.

Die Entschei­dung des Sozial­gerichts München und die rechtliche Lage fasst der Ham­burg­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Mit­glied des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, zusammen.

Arbeit­sun­fall bei betrieblich­er Tätigkeit

Was ein Arbeit­sun­fall ist, regelt das Sozialge­set­zbuch (SGB) VII in Deutsch­land. Danach liegt etwa dann ein Arbeit­sun­fall vor, wenn ein Arbeit­nehmer während der Tätigkeit durch ein „zeitlich begren­ztes, von außen auf den Kör­p­er ein­wirk­endes Ereig­nis“ einen Gesund­heitss­chaden oder sog­ar den Tod erlei­det (§ 8 SGB VII).

„Wer also auf dem Betrieb­s­gelände von einem Gabel­sta­pler ange­fahren wird oder auf der Treppe im Büro stürzt, erlei­det einen Arbeit­sun­fall“, so Arbeit­srechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott. Daneben zählen auch soge­nan­nte Wege­un­fälle als Arbeit­sun­fälle: „Der direk­te Weg zur und von der Arbeit nach­hause ist eben­falls ver­sichert“, so der Ham­burg­er Arbeitsrechtler.

Liegt ein Arbeit­sun­fall vor, ist nicht die eigene Krankenkasse für die Über­nahme der Behand­lungskosten und die ärztliche Heil­be­hand­lung zuständig. „In solchen Fällen tritt die arbeit­ge­ber­fi­nanzierte geset­zliche Unfal­lver­sicherung ein. Dies ist für den Betrof­fe­nen regelmäßig vorteil­haft, da diese auch Ersat­zleis­tun­gen wie Unfall­renten übern­immt“, so Arbeit­srecht­spro­fes­sor Fuhlrott.

Abgren­zung: Dien­stlich­er Bezug oder pri­vate Veranstaltung

 Abgren­zungss­chwierigkeit­en gibt es oft­mals, wenn die Tätigkeit sowohl einen dien­stlichen Bezug, als auch Freizeit­ele­mente aufweist: So zählt eine Ver­let­zung auf einem offiziellen Betrieb­s­fest, zu dem die Fir­ma ein­ge­laden hat, eben­falls als Arbeitsunfall.

„Gehen die Kol­le­gen hinge­gen abends nach der Arbeit gemein­sam etwas trinken und passiert dort eine Ver­let­zung, han­delt es sich hinge­gen nicht um einen Arbeit­sun­fall, selb­st wenn während des Kneipenbe­suchs nur über dien­stliche The­men gesprochen wird“, gren­zt Arbeit­srecht­san­walt Fuhlrott ab. Für eine dien­stliche Ver­anstal­tung spricht es etwa, wenn der Arbeit­ge­ber die Kosten für die Ver­anstal­tung übern­immt, die Pla­nung durch den Arbeit­ge­ber erfol­gt und auss­chließlich Mitar­beit­er daran teilnehmen.

Sprung in den Pool des Chefs

 Aus­ge­hend von diesen rechtlichen Vor­gaben musste das Sozial­gericht München (Urt. v. 07.03.2023, Az.: 9 U 276/21) in ein­er kür­zlich veröf­fentlicht­en Entschei­dung fest­stellen, ob die schw­eren Ver­let­zun­gen eines Arbeit­nehmers beim Sprung in den nicht aus­re­ichend tiefen Pool des Arbeit­ge­bers als Betrieb­sun­fall zu qual­i­fizieren waren.

Im Unfall­bericht hat­te der Arbeit­ge­ber das Geschehen wie fol­gt beschrieben:

„Am let­zten Tag vor dem Urlaub mein­er Mitar­beit­er mussten drin­gend noch Arbeit­en fer­tiggestellt wer­den. Da es sich um einen sehr heißen Som­mertag han­delte (über 30 °C), habe ich um ca. 18:00 Uhr die Anweisung gegeben, dass sich alle Mitar­beit­er in meinem kleinen Pool auf dem Betrieb­s­gelände neben der Werk­statt kurz abkühlen sollen und wir anschließend noch die Restar­beit­en vornehmen. Wir begaben uns dann gemein­sam zum Pool, wofür ich 2 Mitar­beit­ern noch Bade­ho­sen lieh und frischt­en uns dort ab.”

Gericht: Vom Chef ange­ord­nete Erfrischungspause ist Arbeitsunfall

Die Beruf­sgenossen­schaft sah in dem Unfall eine pri­vate Tätigkeit ohne aus­re­ichende dien­stliche Ver­an­las­sung. Das erken­nende Sozial­gericht sah dies aber anders und nahm einen Arbeit­sun­fall an:

Die vom Chef ange­ord­nete „Erfrischungspause“ habe der Wieder­her­stel­lung bzw. Erhal­tung der Arbeit­skraft gedi­ent. Damit beste­he ein sach­lich­er Zusam­men­hang zur Arbeit­stätigkeit. Dies gelte ins­beson­dere, wenn auf­grund der zuvor in Hitze ver­richteter Tätigkeit eine Abküh­lung notwendig und vom Chef sog­ar ange­ord­net wor­den sei.

Anweisung zum Sprung in den Pool qua Direktionsrecht?

Durch die Anerken­nung als Arbeit­sun­fall kommt der ver­let­zte Mitar­beit­er zwar in den Genuss der Leis­tun­gen der Unfal­lver­sicherung. Allerd­ings: Dessen Ver­let­zun­gen waren äußerst gravierend, so dass dieser rechtliche Erfolg nur einen kleinen Trost darstellen dürfte.

Die Frage, ob Chefs ihren Mitar­beit­ern vorgeben dür­fen, in den Pool zu sprin­gen, musste das Sozial­gericht nicht entschei­den: „Eine solche Anweisung wird natür­lich vom arbeit­ge­ber­seit­i­gen Direk­tion­srecht regelmäßig nicht gedeckt sein, solange der betrof­fene Mitar­beit­er nicht aus­nahm­sweise Bade­meis­ter ist“, so abschließend Arbeit­srechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

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