(Stuttgart) Endet das Arbeitsver­hält­nis durch den Tod des Arbeit­nehmers, haben dessen Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 4 Bun­desurlaub­s­ge­setz (BUrlG) Anspruch auf Abgel­tung des von dem Erblass­er nicht genomme­nen Urlaubs.

Darauf ver­weist der Stuttgarter Fachan­walt für Arbeit­srecht Michael Henn, Präsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) zu seinem Urteil vom 22.01.2019 —  Az. 9 AZR 45/16.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 20. Dezem­ber 2010 ver­stor­be­nen Ehe­manns (Erblass­er), dessen Arbeitsver­hält­nis mit der Beklagten durch seinen Tod endete. Nach § 26 des auf das Arbeitsver­hält­nis anwend­baren Tar­ifver­trags für den öffentlichen Dienst (TVöD) standen dem Erblass­er in jedem Kalen­der­jahr 30 Arbeit­stage Urlaub zu. Der Erblass­er wurde mit Wirkung vom 18. August 2010 als schwer­be­hin­dert­er Men­sch anerkan­nt. Er hat­te danach gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB IX aF für das Jahr 2010 Anspruch auf anteili­gen Zusatzurlaub von zwei Arbeit­sta­gen. Die Klägerin ver­langt die Abgel­tung des Resturlaubs von ins­ge­samt 25 Arbeit­sta­gen, der ihrem ver­stor­be­nen Ehe­mann zum Zeit­punkt seines Todes für das Jahr 2010 noch zustand.

Die Vorin­stanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revi­sion der Beklagten hat­te vor dem Neun­ten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hat den nicht gewährten Urlaub des Erblassers mit einem Betrag iHv. 5.857,75 Euro brut­to abzugelten.

Urlaub, der wegen Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es nicht genom­men wer­den kann, ist nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugel­ten. Die nach dem europäis­chen Union­srecht gebotene Ausle­gung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG ergibt, dass der Resturlaub auch dann abzugel­ten ist, wenn das Arbeitsver­hält­nis durch den Tod des Arbeit­nehmers endet. Der Gericht­shof der Europäis­chen Union hat entsch­ieden, dass der durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlin­ie 2003/88/EG (Arbeit­szeitrichtlin­ie) gewährleis­tete Anspruch auf bezahlten Min­dest­jahresurlaub nicht mit dem Tod des Arbeit­nehmers im laufend­en Arbeitsver­hält­nis unterge­hen darf, ohne dass ein Anspruch auf finanzielle Vergü­tung für diesen Urlaub beste­ht, der im Wege der Erb­folge auf den Recht­snach­fol­ger des Arbeit­nehmers überzuge­hen hat (EuGH 6. Novem­ber 2018 — C‑569/16 und C‑570/16 — [Bauer und Willmeroth]). Daraus fol­gt für die richtlin­ienkon­forme Ausle­gung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG, dass die Vergü­tungskom­po­nente des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genomme­nen Jahresurlaub als Bestandteil des Ver­mö­gens Teil der Erb­masse wird. Der Abgel­tungsanspruch der Erben umfasst dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erhol­ung­surlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG von 24 Werk­ta­gen, son­dern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwer­be­hin­derte Men­schen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF sowie den Anspruch auf Urlaub nach § 26 TVöD, der den geset­zlichen Min­desturlaub über­steigt. Dem TVöD lässt sich nicht ent­nehmen, dass dem Erben das Ver­fall­risiko für den tar­i­flichen Mehrurlaub bei der Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es durch Tod des Arbeit­nehmers zugewiesen ist.

Henn emp­fahl, die Entschei­dung zu beacht­en und in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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