(Stuttgart) Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit einer deutschen Regelung zur Befristung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst mit dem europäischen Unionsrecht ersucht.

Darauf verweist der Düsseldorfer Fachanwalt für Arbeitsrecht Karsten Haase, Leiter des Fachausschusses „EU-Arbeitsrecht“ des VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.10.2010, 7 AZR 485/09 (A).

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird. Die Möglichkeit, mit dieser Begründung die Befristung von Arbeitsverhältnissen zu rechtfertigen, besteht nur im öffentlichen Dienst. In der Privatwirtschaft ist die Regelung nicht anwendbar.

§ 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden.

Die Klägerin hat sich gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses gewehrt. Sie war bei dem beklagten Land aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen von Juli 1996 bis Dezember 2006 als Justizangestellte in der Bewährungshilfe beschäftigt. Der Haushaltsplan des beklagten Landes sah für das Jahr 2006 vor, dass vorübergehend frei werdende Haushaltsmittel für die Beschäftigung von Aushilfskräften in Anspruch genommen werden können. Hierauf und auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG hat sich das beklagte Land zur Rechtfertigung der Befristung des letzten mit der Klägerin geschlossenen Vertrags berufen.

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat für klärungsbedürftig gehalten, so Haase, ob es unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes mit der Rahmenvereinbarung vereinbar ist, für den öffentlichen Dienst zusätzlich einen Grund zur Befristung von Arbeitsverträgen vorzusehen, der in der Privatwirtschaft nicht zur Verfügung steht. Die Frage ist weder vom EuGH abschließend geklärt, noch ist ihre Beantwortung offenkundig. Der Siebte Senat hat daher – ua. – diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. 

Die Klärung dieser schon seit längerem virulenten Frage ist nicht ohne Sprengkraft, so betont Haase. Denn deren Beantwortung kann sowohl für das deutsche Arbeitsrecht als auch das Arbeitsleben in Deutschland erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen. 

Im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ist der Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG als sachlicher Befristungsgrund weit verbreitet und u. a. auch den „klammen Kassen“ der öffentlichen Hand geschuldet. Er ist für öffentliche Arbeitgeber aufgrund des mangelnden Kündigungsschutzes bequem handhabbar und dient(e) nachhaltig der Ausweitung befristeter Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst.

Kippt der EuGH § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG, wofür laut Haase einiges spricht, so bleiben letztlich zwei Möglichkeiten: Der Gesetzgeber streicht § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG und führt so zu einer Gleichbehandlung zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft. Dies aber dürfte zu entsprechenden (wirtschaftlichen) Problemen im öffentlichen Dienst führen. Oder aber der Gesetzgeber erweitert die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG auch auf die Privatwirtschaft, die sich über ein solches „Geschenk der Flexibilisierung“ sicherlich freuen würde. Befristete Arbeitsverhältnisse dürften dann in der Privatwirtschaft (noch) weiter zunehmen, gerade im Anschluss an reine Zeitbefristungen, die nicht mehr verlängerbar sind (vgl. § 14 Abs. 2 TzBfG).

So oder so: Es dürfte zu intensiven Diskussionen kommen, insbesondere zwischen den Gewerkschaften, die einer Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse kritisch gegenüberstehen, und den Arbeitgeberverbänden, die den befristeten Arbeitsverhältnissen in einer modernen Arbeitswelt das Wort reden.

Haase empfahl, den Fortgang in dieser Angelegenheit zu beachten und bei aufkommenden Fragen dazu Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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