(Stuttgart) Eine bahnbrechende Entscheidung zum Wertersatz bei rechtswidrigen Ein-Euro-Jobs hat das Bundessozialgericht soeben verkündet. Danach dürfen die sog. „Ein-Euro-Jobs“ keine regulären Arbeitsplätze verdrängen oder ersetzen. Erfolgt das doch, haben die Betroffenen Anspruch auf den üblichen Tariflohn.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. August 2011 zum Urteil vom gleichen Tage – B 4 AS 1/10 R .

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitsentgelt für Tätigkeiten, die sie in der Zeit vom 7. März 2005 bis 6. September 2005 im Rahmen einer von dem beigeladenen Jobcenter veranlassten Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei einem Träger der freien Wohlfahrtspflege verrichtet hat. Die im Jahre 1964 geborene Klägerin erhielt laufend Alg II. Mit Schreiben vom 2. Februar 2005 schlug ihr der Beigeladene eine “Beschäftigungsgelegenheit für Alg II-Bezieher” unter Benennung unterschiedlicher Tätigkeiten bei der Beklagten mit einer Arbeitszeit von 15-20 Stunden und einer Angabe zu “Lohn/Gehalt: 1 Euro” vor. Die Klägerin übte daraufhin eine Tätigkeit als Reini­gungskraft in einem Altenheim mit einem Umfang von 20 Stunden pro Woche aus, die auf sechs Monate befristet war und für die eine Mehraufwandsentschädigung je geleisteter Beschäftigungs­stunde in Höhe von 2 Euro gewährt wurde. Eine Klage der Klägerin gegen die Beklagte vor den Arbeitsgerichten auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses hatte keinen Erfolg. Die weitere, auf Zahlung von Arbeitslohn gerichtete Klage verwies das Arbeitsgericht an das Sozialgericht. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat mit dem Urteil vom 27. August 2011 das Urteil der Vor­instanz aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, so Henn.

Keinen Erfolg hatte der Hauptantrag der Klägerin, mit dem sie gegen die Beklagte Vergütungsansprü­che geltend macht. Ansprüche der Klägerin auf Arbeitsentgelt bestehen nicht, weil ihrer Beschäftigung kein Arbeitsverhältnis zugrunde lag. Sie hat in diesem Zeitraum vielmehr eine Arbeitsgelegenheit ge­gen Mehraufwandsentschädigung wahrgenommen; derartige Arbeiten begründen nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung kein Arbeitsverhältnis. Das Vorliegen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehrauf­wandsentschädigung ergibt sich aus den näheren Umständen des Zustandekommens sowie der Durchführung der Tätigkeit. Das Jobcenter hat die Arbeiterwohlfahrt mit Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2005 ausdrücklich mit der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschä­digung beauftragt. Der Beigeladene hat der Klägerin mit Zuweisungsschreiben vom 2. Februar 2005 eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung für Alg II-Bezieher vorgeschlagen und mit der reduzierten Arbeitszeit und der Höhe der Mehraufwandsentschädigung Merkmale einer Arbeitsgelegenheit benannt. Die auf Veranlassung des Jobcenters verrichtete Tätigkeit stellte deshalb eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung dar. Es liegt keine Fallgestaltung vor, in der wegen eines gelösten Zusammenhangs zwischen der Vermittlung in eine Arbeitsgelegenheit und gänzlich abweichenden Tätigkeitsinhalten ein Arbeitsentgeltanspruch möglich sein könnte.

Hinsichtlich des Hilfsantrags der Klägerin auf Wertersatz für die geleistete Arbeit im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegen das beigeladene Jobcenter ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das Landessozialgericht jedoch begründet, so Henn unter Bezug auf die Mitteilung.

Die für einen Erstattungs­anspruch erforderliche Vermögensmehrung kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn es an einer “Zu­sätzlichkeit” der Arbeitsgelegenheit fehlt. Da die Arbeit dann in Erfüllung einer Aufgabe erbracht wor­den ist, die in jedem Fall hätte durchgeführt werden müssen, ist beim begünstigten Jobcenter durch die ersparten, aber notwendig gewesenen Aufwendungen zur Erfüllung dieser Aufgabe ein Vermö­gensvorteil entstanden. Der Senat konnte auf Grund der Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend beurteilen, ob die von der Klägerin verrichteten Reinigungsarbeiten zusätzlich waren. Soweit es zu einer Vermögensmehrung insoweit gekommen sein sollte, muss sich das Job­center die von der Klägerin erbrachte Leistung ungeachtet des Umstandes zurechnen lassen, dass die Arbeitsgelegenheit bei der Arbeiterwohlfahrt durchgeführt worden ist.

Kommt das Landessozialgericht zu dem Ergebnis, dass eine Zusätzlichkeit der Reinigungsarbeiten zu verneinen ist, wird es weiter zu prüfen haben, ob diese Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Als Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung kommen grundsätzlich ein bestandskräfti­ger Zuweisungsbescheid bzw eine Eingliederungsvereinbarung in Betracht. In dem an die Klägerin gerichteten Zuweisungsschreiben kann mangels abschließender Regelung kein Verwaltungsakt ge­sehen werden. Die hier fehlende Benennung der von dem Hilfebedürftigen konkret auszuübenden Tätigkeit ist unverzichtbar, weil allein das Jobcenter für die Eignung der Maßnahme im Sinne einer Eingliederung des Leistungsberechtigten verantwortlich bleibt.

 Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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