Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 03.03.2022, AZ 6 AZR 333/21

Aus­gabe: 02–2022

Ein Aufhe­bungsver­trag kann unter Ver­stoß gegen das Gebot fairen Ver­han­delns zus­tande gekom­men sein. Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesam­tum­stände der konkreten Ver­hand­lungssi­t­u­a­tion im jew­eili­gen Einzelfall zu entschei­den. Allein der Umstand, dass der Arbeit­ge­ber den Abschluss eines Aufhe­bungsver­trags von der sofor­ti­gen Annahme seines Ange­bots abhängig macht, stellt für sich genom­men keine Pflichtver­let­zung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeit­nehmer wed­er eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeit­nehmer erbete­nen Recht­srat ein­holen kann.

Die Parteien stre­it­en über den Fortbe­stand ihres Arbeitsver­hält­niss­es nach Abschluss eines Aufhe­bungsver­trags. Am 22. Novem­ber 2019 führten der Geschäfts­führer und der spätere Prozess­bevollmächtigte der Beklagten, der sich als Recht­san­walt für Arbeit­srecht vorstellte, im Büro des Geschäfts­führers ein Gespräch mit der als Teamko­or­di­na­torin Verkauf im Bere­ich Haustech­nik beschäftigten Klägerin. Sie erhoben gegenüber der Klägerin den Vor­wurf, diese habe unberechtigt Einkauf­spreise in der EDV der Beklagten abgeän­dert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkauf­s­gewinn vorzus­piegeln. Die Klägerin unterze­ich­nete nach ein­er etwa zehn­minüti­gen Pause, in der die drei anwe­senden Per­so­n­en schweigend am Tisch saßen, den von der Beklagten vor­bere­it­eten Aufhe­bungsver­trag. Dieser sah ua. eine ein­vernehm­liche Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es zum 30. Novem­ber 2019 vor. Die weit­eren Einzel­heit­en des Gesprächsver­laufs sind stre­it­ig geblieben. Die Klägerin focht den Aufhe­bungsver­trag mit Erk­lärung vom 29. Novem­ber 2019 wegen wider­rechtlich­er Dro­hung an.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin ua. den Fortbe­stand des Arbeitsver­hält­niss­es über den 30. Novem­ber 2019 hin­aus gel­tend gemacht. Sie hat behauptet, ihr sei für den Fall der Nich­tun­terze­ich­nung des Aufhe­bungsver­trags die Erk­lärung ein­er außeror­dentlichen Kündi­gung sowie die Erstat­tung ein­er Strafanzeige in Aus­sicht gestellt wor­den. Ihrer Bitte, eine län­gere Bedenkzeit zu erhal­ten und Recht­srat ein­holen zu kön­nen, sei nicht entsprochen wor­den. Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Ver­han­delns ver­stoßen. Das Arbeits­gericht hat der Klage stattgegeben, das Lan­desar­beits­gericht hat sie auf die Beru­fung der Beklagten abgewiesen.

Die Revi­sion der Klägerin hat­te vor dem Sech­sten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg. Auch wenn der von der Klägerin geschilderte Gesprächsver­lauf zu ihren Gun­sten unter­stellt wird, fehlt es an der Wider­rechtlichkeit der behaupteten Dro­hung. Ein ver­ständi­ger Arbeit­ge­ber durfte im vor­liegen­den Fall sowohl die Erk­lärung ein­er außeror­dentlichen Kündi­gung als auch die Erstat­tung ein­er Strafanzeige ern­sthaft in Erwä­gung ziehen. Eben­so ist das Lan­desar­beits­gericht auf der Grund­lage der vom Sen­at in der Entschei­dung vom 7. Feb­ru­ar 2019 (- 6 AZR 75/18 -) entwick­el­ten Maßstäbe unter Berück­sich­ti­gung des in der Revi­sion­sin­stanz nur eingeschränk­ten Prü­fung­sum­fangs zutr­e­f­fend zu dem Schluss gekom­men, dass die Beklagte nicht unfair ver­han­delt und dadurch gegen ihre Pflicht­en aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB ver­stoßen hat. Die Entschei­dungs­frei­heit der Klägerin wurde nicht dadurch ver­let­zt, dass die Beklagte den Aufhe­bungsver­trag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofor­ti­gen Annahme unter­bre­it­et hat und die Klägerin über die Annahme deswe­gen sofort entschei­den musste.

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