Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 26.10.2021, AZ 5 AZR 211/21

Aus­gabe: 10–2021

Muss der Arbeit­ge­ber seinen Betrieb auf­grund eines staatlich ver­fügten all­ge­meinen „Lock­downs“ zur Bekämp­fung der Coro­na-Pan­demie vorüberge­hend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeit­saus­falls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergü­tung unter dem Gesicht­spunkt des Annah­mev­erzugs zu zahlen.

Die Beklagte betreibt einen Han­del mit Näh­maschi­nen und Zube­hör und unter­hält in Bre­men eine Fil­iale. Dort ist die Klägerin seit Okto­ber 2019 als ger­ingfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergü­tung von 432,00 Euro im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft auf­grund der „All­ge­mein­ver­fü­gung über das Ver­bot von Ver­anstal­tun­gen, Zusam­menkün­ften und der Öff­nung bes­timmter Betriebe zur Eindäm­mung des Coro­n­avirus“ der Freien Hans­es­tadt Bre­men vom 23. März 2020 geschlossen. Deshalb kon­nte die Klägerin nicht arbeit­en und erhielt auch keine Vergü­tung. Mit ihrer Klage hat sie die Zahlung ihres Ent­gelts für den Monat April 2020 unter dem Gesicht­spunkt des Annah­mev­erzugs begehrt. Sie hat gemeint, die Schließung des Betriebs auf­grund behördlich­er Anord­nung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeit­ge­berin zu tra­gen­den Betrieb­srisikos. Dage­gen hat die Beklagte Klage­ab­weisung beantragt und gel­tend gemacht, die von der Freien Hans­es­tadt Bre­men zur Pan­demiebekämp­fung ange­ord­neten Maß­nah­men beträfen das all­ge­meine Leben­srisiko, das nicht beherrschbar und von allen gle­icher­maßen zu tra­gen sei.

Die Vorin­stanzen haben der Klage stattgegeben. Die vom Lan­desar­beits­gericht zuge­lassene Revi­sion der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeit­sleis­tung und deren Annahme durch die Beklagte auf­grund der behördlich ange­ord­neten Betrieb­ss­chließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Ent­geltzahlung unter dem Gesicht­spunkt des Annah­mev­erzugs. Der Arbeit­ge­ber trägt auch nicht das Risiko des Arbeit­saus­falls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schw­eren und tödlichen Krankheitsver­läufen infolge von SARS-CoV-2-Infek­tio­nen durch behördliche Anord­nung in einem Bun­des­land die sozialen Kon­tak­te auf ein Min­i­mum reduziert und nahezu flächen­deck­end alle nicht für die Ver­sorgung der Bevölkerung notwendi­gen Ein­rich­tun­gen geschlossen wer­den. In einem solchen Fall real­isiert sich nicht ein in einem bes­timmten Betrieb angelegtes Betrieb­srisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeit­sleis­tung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Ein­griffs zur Bekämp­fung ein­er die Gesellschaft ins­ge­samt tre­f­fend­en Gefahren­lage. Es ist Sache des Staates, gegebe­nen­falls für einen adäquat­en Aus­gle­ich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Ein­griff entste­hen­den finanziellen Nachteile – wie es zum Teil mit dem erle­ichterten Zugang zum Kurzarbeit­ergeld erfol­gt ist – zu sor­gen. Soweit ein solch­er – wie bei der Klägerin als ger­ingfügig Beschäftigter – nicht gewährleis­tet ist, beruht dies auf Lück­en in dem sozialver­sicherungsrechtlichen Regelungssys­tem. Aus dem Fehlen nachge­lagert­er Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeit­srechtliche Zahlungspflicht des Arbeit­ge­bers herleiten.

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