Arbeits­gericht Lübeck, Beschluss vom 20.07.2020, AZ 3 Ca 2203/19

Aus­gabe: 08–2020

Eine Kündi­gungss­chutzk­lage muss inner­halb von drei Wochen ab Zugang der Kündi­gung bei Gericht einge­hen, andern­falls ist die Kündi­gung rechtswirk­sam (§§ 4, 7 Kündi­gungss­chutzge­setz). Der Ein­gang kann mit­tler­weile auch per elek­tro­n­is­chem Rechtsverkehr — einem beson­ders abgesicherten Ver­fahren der dig­i­tal­en Kom­mu­nika­tion mit Gericht­en — erfolgen. 

Allerd­ings müssen dabei formelle Anforderun­gen genau beachtet wer­den. Diese ergeben sich für die Arbeits­gerichts­barkeit aus § 46c Arbeitsgerichtsgesetz[i](für die anderen Gerichts­barkeit­en gel­ten entsprechende Regeln, zB. § 130a ZPO) in Verbindung mit der für alle Gerichts­barkeit­en bun­desweit gel­tenden Rechtsverord­nung Elek­tro­n­is­ch­er Rechtsverkehr Verordnung[ii]und den Bekan­nt­machun­gen ERVB 2018[iii]und 2019[iv]Die bei Gericht einge­hende Schrift­satz­datei ist u.a. nicht gemäß § 46 Abs. 2 Arbeits­gerichts­ge­setz zur Bear­beitung geeignet und damit unwirk­sam, wenn die PDF-Datei zur ihrer Darstel­lung Schrif­tarten (fonts) benötigt, die nicht in der Datei selb­st enthal­ten sind, son­dern von dem jew­eils darstel­len­den Rech­n­er bezo­gen wer­den müssen (soge­nan­nte „nicht einge­bet­tete Schriften“). 

Allerd­ings kann dieser Fehler geheilt wer­den, wenn die ein­re­ichende Partei unverzüglich nach Hin­weis des Gerichts die Klage ord­nungs­gemäß per elek­tro­n­is­chem Rechtsverkehr ein­re­icht. Dies gilt auch dann, wenn der Hin­weis des Gerichts nicht unverzüglich erfol­gt. Dies hat das Arbeits­gericht Lübeck entsch­ieden (Urteil vom 9. Juni 2020 — 3 Ca 2203/19 -).

Der Klägervertreter hat­te die Kündi­gungss­chutzk­lage rechtzeit­ig über sein beson­deres Anwalt­spost­fach (beA) ein­gere­icht. Sein Schrift­satz enthielt jedoch nicht einge­bet­tete Schriften. Dies fiel zunächst wed­er dem Gericht noch der Gegen­seite auf. Dies änderte sich erst kurz vor dem Kam­mert­er­min acht Monate später. Auf den Hin­weis des Gerichts hin reichte der Klägervertreter den Klageschrift­satz noch am gle­ichen Tag erneut per beA ein, dies­mal formell ord­nungs­gemäß. Gle­ichzeit­ig ver­sicherte er in ein­er getren­nten Datei die inhaltliche Übere­in­stim­mung der bei­den Klageschrift­sätze recht­san­waltlich und eidesstat­tlich. Damit gilt der später ein­gere­ichte Schrift­satz als zum Zeit­punkt der ursprünglichen Klageein­re­ichung und damit als inner­halb der Drei­wochen­frist eingegangen.

Das Arbeits­gericht führt zur Begrün­dung aus: Wird ein Schrift­satz im Rah­men des elek­tro­n­is­chen Rechtsverkehrs beim Arbeits­gericht per PDF-Datei ein­gere­icht, müssen sämtliche dort enthal­tene Schriften in der Datei einge­bet­tet sein. Anson­sten ist der Schrift­satz für die Bear­beitung durch das Gericht ungeeignet. Dies ergibt sich aus § 46c Abs. 2 Arbeits­gerichts­ge­setz i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV i.V.m. Ziff­fer 1 ERVB 2019. Für die tech­nis­chen Anforderun­gen an die ord­nungs­gemäße elek­tro­n­is­che Ein­re­ichung gilt ein objek­tiv­er durch die ERVB bes­timmter Maßstab. Die Frage der Eig­nung des elek­tro­n­is­chen Doku­ments für die Bear­beitung durch das Gericht gemäß § 46c Abs. 2 Satz 1 Arbeits­gerichts­ge­setz hängt nicht von der sub­jek­tiv­en Geeignetheit für die Gerichts­barkeit oder für die entschei­dende Kam­mer ab. Die ERVB 2019 ist mit der ERVB 2018 vere­in­bar, da sie die dort geregelte Verbindlichkeit zuläs­siger Dateifor­mate bis zum 31. Dezem­ber 2020 nicht unter­läuft. Die ERVB 2019 ver­stößt nicht gegen die Rechtsweg­garantie des Art. 19 Abs. 4 GG, da die Ein­schränkung des Zugangs zu den Gericht­en durch das Stan­dar­d­isierungsin­ter­esse gerecht­fer­tigt ist und in § 46c Abs. 6 Satz 2 Arbeits­gerichts­ge­setz eine niedrigschwellige Möglichkeit für die Parteien existiert, den For­mat­fehler fol­gen­los zu korrigieren.

Danach gilt die Klage als zum Zeit­punkt der früheren Ein­re­ichung einge­gan­gen, wenn der Kläger die Klage unverzüglich in ein­er für das Gericht zur Bear­beitung geeigneten Form nachre­icht und zudem glaub­haft gemacht hat, dass es mit dem zuerst ein­gere­icht­en Doku­ment inhaltlich übere­in­stimmt. Die Unverzüglichkeit bezieht sich hier allein auf die ein­re­ichende Partei. Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht sein­er­seits unverzüglich sein­er Mit­teilungspflicht gemäß § 46c Abs. 6 Satz 1 Arbeits­gerichts­ge­setz nachgekom­men ist. Dabei erfüllt die tag­gle­iche Kor­rek­tur seit­ens der ein­re­ichen­den Partei in jedem Fall die Voraus­set­zung der Unverzüglichkeit. Für die Glaub­haft­machung ist ein sep­a­rates ord­nungs­gemäß ein­gere­icht­es Doku­ment (PDF-Datei, durch­such­bar, mit einge­bet­teten Schriften) sowie eine anwaltliche Ver­sicherung in Bezug auf die Iden­tität ausreichend.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG…