Lan­desar­beits­gericht Baden-Würt­tem­berg, Beschluss vom 17.03.2023, AZ 12 Sa 50/22

Aus­gabe: 03–2023

1. Hat der Arbeit­ge­ber zu wenig Lohn­s­teuer von den Einkün­ften des Arbeit­nehmers ein­be­hal­ten und an das Finan­zamt abge­führt, kann er bis zur Inanspruch­nahme durch das Finan­zamt vom Arbeit­nehmer Freis­tel­lung von etwaigen Nach­forderun­gen ver­lan­gen und nach Inanspruch­nahme die Erstat­tung der gezahlten Lohn­s­teuern im Wege des Gesamtschuld­ner­aus­gle­ichs. Im Rah­men des Gesamtschuld­ner­aus­gle­ichs haftet der Arbeit­nehmer im Innen­ver­hält­nis voll.

2. Die Regresspflicht des Arbeit­nehmers beste­ht unab­hängig davon, ob der Ar-beit­ge­ber frei­willig oder auf Grund eines Haf­tungs­beschei­ds die Steuer­nach­forderung für den Arbeit­nehmer erfüllt.

3. Ein­wen­dun­gen des Arbeit­nehmers gegen die Fest­stel­lun­gen eines Haf­tungs­beschei­ds sind im arbeits­gerichtlichen Regressver­fahren — abge­se­hen von Fällen der offenkundi­gen Unrichtigkeit der steuer­rechtlichen Bew­er­tung — grund­sät­zlich nicht zuläs­sig. Entsprechen­des gilt bei ein­er frei­willi­gen Nachen­trich­tung von Lohnsteuer.

4. Allein durch die Bekan­nt­gabe eines Haf­tungs­beschei­ds an den Arbeit­ge­ber wird keine Frist für die öffentlich-rechtliche Anfech­tung des Beschei­ds durch den Arbeit­nehmer in Gang geset­zt. Die unterbliebene oder verzögerte In-Ken­nt­nis-Set­zung des Arbeit­nehmers durch den Arbeit­ge­ber bezüglich Exis­tenz oder Inhalt eines Haf­tungs­beschei­ds kann nicht zum Ver­lust des Anfech­tungsrechts des Arbeit­nehmers führen.

5. Ein Sorgfalt­spflichtver­stoß des Arbeit­ge­bers bei der Abführung von Lohn­s­teuer ist für die Regresspflicht des Arbeit­nehmers ohne Rel­e­vanz. § 254 BGB find­et keine Anwendung.

6. Ein solch­er Sorgfalt­spflichtver­stoß des Arbeit­ge­bers kann zu Schadenser­satzansprüchen des Arbeit­nehmers führen. Die Lohn­s­teuer selb­st stellt dabei jedoch keinen ersatzfähi­gen Schaden­sposten dar.

7. Das Ein­ver­ständ­nis des Arbeit­ge­bers mit einem gegen ihn ergan­genen Haf­tungs­bescheid stellt keinen Ver­trag mit dem Finan­zamt zu Las­ten des Arbeit­nehmers dar.

8. Ein­er vor Fäl­ligkeit erfol­gten Mah­nung kommt auch nach dem Ein­tritt der Fäl­ligkeit keine verzugs­be­grün­dende Wirkung zu.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprec…