Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 01.02.2021, AZ 3 AZR 139/17

Aus­gabe: 1–2021

Der Erwer­ber eines Betriebs(teils) in der Insol­venz haftet nach § 613a Abs. 1 BGB für Ansprüche der überge­gan­genen Arbeit­nehmer auf Leis­tun­gen der betrieblichen Altersver­sorgung nur zei­tan­teilig für die nach der Eröff­nung des Insol­ven­zver­fahrens zurück­gelegte Dauer der Betrieb­szuge­hörigkeit. Für die Leis­tun­gen, die auf Zeit­en bis zur Eröff­nung des Insol­ven­zver­fahrens beruhen, haftet er auch dann nicht, wenn für diesen Teil der Betrieb­srente nach dem Betrieb­srentenge­setz der Pen­sions-Sicherungs-Vere­in (PSV) — der geset­zlich bes­timmte Träger der Insol­ven­zsicherung — nicht voll­ständig eintritt. 

Den bei­den Klägern sind Leis­tun­gen der betrieblichen Altersver­sorgung zuge­sagt wor­den. Nach der Ver­sorgung­sor­d­nung berech­net sich ihre Betrieb­srente nach der Anzahl der Dien­st­jahre und dem — zu einem bes­timmten Stich­tag vor dem Auss­chei­den — erziel­ten Gehalt. Über das Ver­mö­gen ihrer Arbeit­ge­berin wurde am 1. März 2009 das Insol­ven­zver­fahren eröffnet. Im April 2009 ging der Betrieb nach § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte über.

Ein­er der Kläger erhält seit August 2015 von der Beklagten eine Betrieb­srente iHv. ca. 145,00 Euro und vom PSV eine Alter­srente iHv. ca. 817,00 Euro. Bei der Berech­nung legte die Beklagte zwar die Ver­sorgung­sor­d­nung ein­schließlich des zum maßge­blichen Stich­tag vor dem Ver­sorgungs­fall bezo­ge­nen höheren Gehalts zugrunde, ließ aber den Anteil an der Betrieb­srente, der vor der Insol­venz erdi­ent war, außer Betra­cht. Der PSV set­zte dage­gen — wie im Betrieb­srentenge­setz vorge­se­hen — das zum Zeit­punkt der Eröff­nung des Insol­ven­zver­fahrens maßge­bliche niedrigere Gehalt des Klägers an. Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, ihm eine höhere Betrieb­srente zu gewähren. Diese müsse sich nach den Bes­tim­mungen der Ver­sorgung­sor­d­nung auf der Basis des höheren Gehalts unter bloßem Abzug des Betrags errech­nen, den er vom PSV erhalte. Der andere Kläger ver­fügte bei Eröff­nung des Insol­ven­zver­fahrens noch nicht über eine geset­zlich unver­fall­bare Anwartschaft. Daher ste­ht ihm bei Ein­tritt eines Ver­sorgungs­falls nach dem Betrieb­srentenge­setz kein Anspruch gegen den PSV zu. Er hält die Beklagte für verpflichtet, ihm kün­ftig eine Betrieb­srente in voller Höhe zu gewähren. Die Vorin­stanzen haben die Kla­gen abgewiesen.

Die Revi­sio­nen der Kläger hat­ten vor dem Drit­ten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg. Nach der — im Hin­blick auf die beson­deren Verteilungs­grund­sätze des Insol­ven­zrechts ein­schränk­enden — Ausle­gung von § 613a Abs. 1 BGB durch die deutschen Arbeits­gerichte kön­nen die Kläger mit ihren Klage­begehren nicht durch­drin­gen. Danach haftet ein Betrieb­ser­wer­ber in der Insol­venz nicht für Betrieb­srente­nan­wartschaften, die im Sinne von § 108 Abs. 3 Insol­ven­zord­nung für die Zeit vor Insol­ven­z­eröff­nung ent­standen sind. Diese Recht­sprechung ist — wie der Gericht­shof der Europäis­chen Union entsch­ieden hat (EuGH 9. Sep­tem­ber 2020 — C‑674/18 und C‑675/18 — [TMD Fric­tion])- mit Union­srecht vere­in­bar. Sie recht­fer­tigt sich nach der all­ge­meinen Regelung des Art. 3 Abs. 4 Richtlin­ie 2001/23/EG, der auch neben den nur in der Insol­venz gel­tenden Bes­tim­mungen in deren Art. 5 anwend­bar bleibt. Voraus­set­zung ist, dass ein Art. 8 Richtlin­ie 2008/94/EG entsprechen­der Min­destschutz gewährt wird. Dieser union­srechtlich gebotene Min­destschutz wird in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land durch einen unmit­tel­bar aus dem Union­srecht fol­gen­den und gegen den PSV gerichteten Anspruch gewährleis­tet. Eine Haf­tung des Erwer­bers schei­det deshalb aus.

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