Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 10.01.2022, AZ 9 AZR 225/21

Aus­gabe: 12–2021

Fall­en auf­grund von Kurzarbeit einzelne Arbeit­stage voll­ständig aus, ist dies bei der Berech­nung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten drei Tage wöchentlich als Verkauf­shil­fe mit Back­tätigkeit­en beschäftigt. Bei ein­er Sech­stage­woche hätte ihr nach dem Arbeitsver­trag ein jährlich­er Erhol­ung­surlaub von 28 Werk­ta­gen zuge­s­tanden. Dies entsprach bei ein­er vere­in­barten Dre­itage­woche einem Urlaub­sanspruch von 14 Arbeitstagen.

Auf­grund Arbeit­saus­falls durch die Coro­na-Pan­demie führte die Beklagte Kurzarbeit ein. Dazu trafen die Parteien Kurzarbeitsvere­in­barun­gen, auf deren Grund­lage die Klägerin ua. in den Monat­en April, Mai und Okto­ber 2020 voll­ständig von der Arbeit­spflicht befre­it war und in den Monat­en Novem­ber und Dezem­ber 2020 ins­ge­samt nur an fünf Tagen arbeitete.

Aus Anlass der kurzarbeits­be­d­ingten Arbeit­saus­fälle nahm die Beklagte eine Neu­berech­nung des Urlaubs vor. Sie bez­if­ferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeit­stage. Dage­gen hat sich die Klägerin mit der vor­liegen­den Klage gewandt. Sie hat den Stand­punkt ein­genom­men, kurzarbeits­be­d­ingt aus­ge­fal­l­ene Arbeit­stage müssten urlaub­srechtlich wie Arbeit­stage gew­ertet wer­den. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewe­sen, den Urlaub zu kürzen. Für das Jahr 2020 stün­den ihr weit­ere 2,5 Urlaub­stage zu. 

Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revi­sion der Klägerin hat­te beim Neun­ten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weit­ere 2,5 Arbeit­stage Erhol­ung­surlaub für das Kalen­der­jahr 2020. Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei ein­er gle­ich­mäßi­gen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werk­tage. Ist die Arbeit­szeit eines Arbeit­nehmers nach dem Arbeitsver­trag auf weniger oder mehr als sechs Arbeit­stage in der Kalen­der­woche verteilt, ist die Anzahl der Urlaub­stage grund­sät­zlich unter Berück­sich­ti­gung des für das Urlaub­s­jahr maßge­blichen Arbeit­srhyth­mus zu berech­nen, um für alle Arbeit­nehmer eine gle­ich­w­er­tige Urlaub­s­dauer zu gewährleis­ten (24 Werk­tage x Anzahl der Tage mit Arbeit­spflicht geteilt durch 312 Werk­tage).* Dies gilt entsprechend für den ver­traglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsver­tragsparteien – wie im vor­liegen­den Fall – für die Berech­nung des Urlaub­sanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abwe­ichende Vere­in­barung getrof­fen haben.

Bei der ver­traglichen Dre­itage­woche der Klägerin errech­nete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeit­sta­gen (28 Werk­tage x 156 Tage mit Arbeit­spflicht geteilt durch 312 Werk­tage). Der kurzarbeits­be­d­ingte Aus­fall ganz­er Arbeit­stage recht­fer­tigte eine unter­jährige Neu­berech­nung des Urlaub­sanspruchs. Auf­grund einzelver­traglich vere­in­barter Kurzarbeit aus­ge­fal­l­ene Arbeit­stage sind wed­er nach nationalem Recht noch nach Union­srecht Zeit­en mit Arbeit­spflicht gle­ichzustellen. Der Urlaub­sanspruch der Klägerin aus dem Kalen­der­jahr 2020 über­steigt deshalb nicht die von der Beklagten berech­neten 11,5 Arbeit­stage. Allein bei Zugrun­dele­gung der drei Monate, in denen die Arbeit voll­ständig aus­ge­fall­en ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaub­sanspruch von 10,5 Arbeit­sta­gen (28 Werk­tage x 117 Tage mit Arbeit­spflicht geteilt durch 312 Werktage).

* Recht­sprechung des Sen­ats vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 406/17 – (Son­derurlaub); vgl. 24. Sep­tem­ber 2019 – 9 AZR 481/18 – (Alter­steilzeit).

In ein­er weit­eren Sache hat der Neunte Sen­at erkan­nt, dass diese Grund­sätze auch dann Anwen­dung find­en, wenn die Kurzarbeit wirk­sam auf­grund ein­er Betrieb­svere­in­barung einge­führt wor­den ist.

Bun­de­sar­beits­gericht, Urteil vom 30. Novem­ber 2021 – 9 AZR 234/21 –
Vorin­stanz: Lan­desar­beits­gericht Baden-Würt­tem­berg – Kam­mern Freiburg -, Urteil vom 3. Mai 2021 – 9 Sa 1/21 –

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