(Stuttgart) Entschei­det sich die Kirche, die Arbeits­be­din­gun­gen der Beschäftigten ihrer diakonis­chen Ein­rich­tun­gen nur dann durch Tar­ifverträge auszugestal­ten, wenn eine Gew­erkschaft zuvor eine absolute Frieden­spflicht vere­in­bart und einem Schlich­tungsabkom­men zus­timmt, sind Streik­maß­nah­men zur Durch­set­zung von Tar­if­forderun­gen unzulässig. 

Darauf ver­weist der Köl­ner Fachan­walt für Arbeit­srecht Frhr. Fen­i­more von Bre­dow, Vizepräsi­dent des VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) vom 20.11.2012 zu seinen Urteil vom sel­ben Tage. Az. 1 AZR 611/11.

Der Kläger ist ein von der vor­ma­li­gen Nordel­bis­chen Evan­ge­lisch-Lutherischen Kirche (NEK) gegrün­de­ter Arbeit­ge­berver­band. Im Bere­ich der NEK gal­ten seit 1961 Tar­ifverträge für die in den kirch­lichen Ein­rich­tun­gen beschäftigten Arbeit­nehmer. Diese wer­den von dem kla­gen­den Arbeit­ge­berver­band mit Gew­erkschaften abgeschlossen. Der Kläger macht die Auf­nahme von Tar­ifver­hand­lun­gen vom Abschluss eines Grund­la­gen­tar­ifver­trags abhängig, nach dem Arbeit­skampf­maß­nah­men zur Durch­set­zung eines Tar­ifver­tragsab­schlusses unzuläs­sig sind. Nach ein­er Schlich­tungsvere­in­barung entschei­det eine Schlich­tungsstelle im Kon­flik­t­fall unter dem Vor­sitz eines unpartei­is­chen Schlichters über das Zus­tandekom­men des Tar­ifver­trags (sog. Zweit­er Weg).

Der Bun­desver­band des Mar­burg­er Bun­des forderte den Kläger im Jahr 2007 zu Tar­ifver­hand­lun­gen über den Abschluss eines Tar­ifver­trags für die bei den diakonis­chen Anstel­lungsträgern der NEK beschäftigten Ärzte auf. Da der Bun­desver­band den vom Kläger ver­langten Verzicht auf die Durch­führung von Arbeit­skampf­maß­nah­men ablehnte, kam es nicht zur Auf­nahme von Tar­ifver­hand­lun­gen. Am 31. August 2009 führte der Lan­desver­band Ham­burg des Mar­burg­er Bun­des einen Streik in einem diakonis­chen Kranken­haus in Ham­burg durch, den ihm das Arbeits­gericht Ham­burg vor­ab im Rah­men eines einst­weili­gen Ver­fü­gungsver­fahrens recht­skräftig erlaubt hatte.

Der Kläger ver­langt vom Bun­desver­band des Mar­burg­er Bun­des und dessen Lan­desver­band Ham­burg, Streik­maß­nah­men in Ein­rich­tun­gen sein­er Mit­glieder zu unter­lassen. Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revi­sion des Klägers blieb vor dem Ersten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts ohne Erfolg, so von Bredow.

Die Entschei­dung der NEK, auf der Grund­lage eines am Leit­bild der Dien­st­ge­mein­schaft aus­gerichteten Tar­ifver­tragsver­fahrens die Arbeits­be­din­gun­gen ihrer Beschäftigten zu regeln, fällt in den Schutzbere­ich des kirch­lichen Selb­st­bes­tim­mungsrechts aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV, Art. 4 GG. Dieses beken­nt­nis­gemäß mod­i­fizierte Tar­ifver­tragsver­fahren schließt den Arbeit­skampf aus. Das kol­li­diert mit dem Recht ein­er Gew­erkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG, sich durch den Abschluss von Tar­ifverträ­gen koali­tion­s­mäßig zu betäti­gen und hier­für Arbeit­skampf­maß­nah­men einzusetzen.

Bei ein­er hier­nach vorzunehmenden Güter­ab­wä­gung ist zu berück­sichti­gen, dass sich eine Gew­erkschaft auf dem Zweit­en Weg koali­tion­s­mäßig betäti­gen kann. Zwar kann sie zur Durch­set­zung ihrer Tar­if­forderun­gen keinen Ver­hand­lungs­druck durch Streikan­dro­hung ent­fal­ten. Sie führt aber die Ver­hand­lun­gen mit der Arbeit­ge­ber­seite autonom und muss keine Rück­sicht auf die Inter­essen von Nicht­mit­gliedern nehmen. Ihr bleibt ein erhe­blich­es Maß an Ein­flussnahme. Sie kann unmit­tel­bar und inten­siv ihrer vom Grundge­setz voraus­ge­set­zten Zweckbes­tim­mung nachkom­men, die Arbeits- und Wirtschafts­be­din­gun­gen zu Gun­sten ihrer Mit­glieder zu bee­in­flussen. Die Nutzung des staatlichen Tar­ifrechts im Zweit­en Weg garantiert zudem die Verbindlichkeit von Tar­i­fab­schlüssen als Min­destar­beits­be­din­gung. Abwe­ichun­gen zu Las­ten gew­erkschaftlich Organ­isiert­er sind den ver­bands­ge­bun­de­nen diakonis­chen Dien­st­ge­bern nicht möglich. Dieser Schutz kommt der Gew­erkschaft auch bei der Mit­glieder­wer­bung zugute. Danach hat ihr Streikrecht gegenüber dem im Zweit­en Weg zum Aus­druck kom­menden kirch­lichen Selb­st­bes­tim­mungsrecht zurückzutreten.

Allerd­ings hat der Kläger nicht dar­legen kön­nen, dass auf­grund ver­gan­gener Arbeit­skampf­maß­nah­men der Beklagten die ern­stliche Besorg­nis weit­er­er Störun­gen beste­ht. Das Arbeits­gericht Ham­burg hat­te seinen Antrag auf Unter­sa­gung des am 31. August 2009 durchge­führten Streiks recht­skräftig abgewiesen. Damit stand fest, dass der Lan­desver­band des Mar­burg­er Bun­des diesen Arbeit­skampf durch­führen durfte. Hier­an war der Sen­at gebun­den. Weit­ere Streiks fan­den nach diesem Zeit­punkt gegenüber Mit­gliedern des Klägers nicht mehr statt. Damit fehlte es gegenüber bei­den Beklagten an ein­er für das Unter­las­sungs­begehren notwendi­gen Verletzungshandlung. 

Von Bre­dow emp­fahl, dies zu beacht­en und bei Fra­gen zum Arbeit­srecht Recht­srat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.   

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Frhr. Fen­i­more von Bre­dow
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeit­srecht
VDAA-Vizepräsi­dent
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