(Stuttgart) Nach dem Inkraft­treten des All­ge­meinen Gle­ich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) am 18. August 2006 kann sich auf die Schutzvorschriften für schwer­be­hin­derte Men­schen nach dem Sozialge­set­zbuch (SGB IX) nur berufen, wer unter den Anwen­dungs­bere­ich dieses Geset­zes fällt.

Das sind schwer­be­hin­derte Men­schen mit einem Grad der Behin­derung (GdB) von wenig­stens 50 oder die diesen durch ein förm­lich­es Ver­fahren gle­ichgestell­ten Men­schen. Wer nicht zu diesem Per­so­n­enkreis gehört, kann sich zur Abwehr ein­er Benachteili­gung wegen Behin­derung ab August 2006 auf das AGG berufen. 

Am 27.01.2011 musste das Bun­de­sar­beits­gericht über einen Fall ein­er Sekretärin entschei­den, so der Kiel­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Jens Klar­mann, Vizepräsi­dent des VdAA  — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, bei der lediglich ein Grad der Behin­derung (GdB) von 40 fest­gestellt wor­den war und meinte, bei der Beset­zung eines Chef­sekretärin­nen­postens wegen ihrer Behin­derung benachteiligt wor­den zu sein. (Az. 8 AZR 580/09) 

Die Klägerin bewarb sich in dem Fall bei der Beklagten für die Stelle ein­er Sekretärin des Che­farztes und wies dabei aus­drück­lich auf den bei ihr vor­liegen­den GdB von 40 hin. Ihrem Antrag auf Gle­ich­stel­lung mit schwer­be­hin­derten Men­schen war vorher nicht entsprochen wor­den. Die Beklagte beset­zte die Stelle jedoch mit ein­er anderen Bewer­berin, ohne die Bes­tim­mungen des SGB IX zum Schutz von schwer­be­hin­derten Men­schen beachtet oder die Klägerin zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ein­ge­laden zu haben. Die Klägerin sah sich als Behin­derte benachteiligt und ver­langte deshalb von der Beklagten eine Entschädi­gung. Zwar habe sie keinen GdB von 50 und sei auch nicht gle­ichgestellt wor­den, Let­zteres sei ihr aber für den Bedarfs­fall zugesichert wor­den. Die Beklagte habe bei der Stel­lenbe­set­zung mehrfach das SGB IX ver­let­zt, was die Ver­mu­tung aus­löse, dass bei der Ablehnung der Klägerin ihre Behin­derung eine Rolle gespielt habe. Diese Ver­mu­tung habe die Beklagte nicht entkräften können.

Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg, betont Klarmann.

Die Beklagte musste die Klägerin nicht nach den Vorschriften des SGB IX behan­deln, da die Klägerin dafür die per­sön­lichen Voraus­set­zun­gen nicht erfüllt. Sie fällt nicht unter den Anwen­dungs­bere­ich der Schutzvorschriften des SGB IX. Deshalb kann sich die Klägerin auch nicht auf son­stige Ver­let­zun­gen der Vorschriften des SGB IX berufen. Auch dafür müsste sie schwer­be­hin­dert oder den schwer­be­hin­derten Men­schen gle­ichgestellt sein. Allerd­ings ste­hen seit August 2006 alle behin­derten Men­schen unter dem Schutz des AGG. Die Klägerin hat sich jedoch auss­chließlich auf die Ver­let­zung von Vorschriften des SGB IX berufen und keine Tat­sachen vor­ge­tra­gen, die die Ver­mu­tung für eine Benachteili­gung im Sinne des AGG aus­lösen. Nach­dem mit dem AGG die Rah­men­richtlin­ie 2000/78/EG des Rates vom 27. Novem­ber 2000 in deutsches Recht umge­set­zt ist, kommt die zwis­chen­zeitlich notwendi­ge entsprechende Anwen­dung der Regeln des SGB IX auf nicht schwer­be­hin­derte Men­schen nicht länger in Betracht.

Klar­mann emp­fahl, dies zu beacht­en sowie in Zweifels­fällen um Recht­srat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies. 

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