(Stuttgart)  Im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis ist jeden­falls nach sechs Monat­en, also nach dem Erwerb des Son­derkündi­gungss­chutzes für behin­derte Men­schen, die Frage des Arbeit­ge­bers nach der Schwer­be­hin­derung zuläs­sig. Das gilt ins­beson­dere zur Vor­bere­itung von beab­sichtigten Kündigungen.

Darauf ver­weist der Stuttgarter Fachan­walt für Arbeit­srecht Michael Henn, Präsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts vom 16.02.2012 zu seinem Urteil vom gle­ichen Tage, Az.: 6 AZR 553/10.

Der mit einem GdB von 60 schwer­be­hin­derte Kläger stand seit dem 1. Novem­ber 2007 in einem bis zum 31. Okto­ber 2009 befris­teten Arbeitsver­hält­nis. Am 8. Jan­u­ar 2009 wurde der Beklagte zum vor­läu­fi­gen Insol­ven­zver­wal­ter über das Ver­mö­gen der Arbeit­ge­berin bestellt. Während des Insol­ven­z­eröff­nungsver­fahrens erbat der Beklagte in einem Frage­bo­gen zur Ver­voll­ständi­gung bzw. Über­prü­fung der ihm vor­liegen­den Dat­en u.a. Angaben zum Vor­liegen ein­er Schwer­be­hin­derung bzw. Gle­ich­stel­lung mit einem Schwer­be­hin­derten. Der Kläger verneinte seine Schwer­be­hin­derung. Nach Eröff­nung des Insol­ven­zver­fahrens kündigte der Beklagte als Insol­ven­zver­wal­ter am 26. Mai 2009 dem Kläger zum 30. Juni 2009.

Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwer­be­hin­derung mit­geteilt hat, hält die Kündi­gung vom 26. Mai 2009 für unwirk­sam, weil das Integrati­onsamt ihr nicht zuges­timmt habe. Das Arbeits­gericht ist dem gefol­gt und hat der Klage stattgegeben. Das Lan­desar­beits­gericht hat dage­gen angenom­men, der Kläger könne sich auf den Kündi­gungss­chutz für Schwer­be­hin­derte nicht berufen, weil er die Frage nach der Schwer­be­hin­derung wahrheitswidrig verneint habe.

Die Revi­sion des Klägers hat­te vor dem Sech­sten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg, so Henn.

Die Frage nach der Schwer­be­hin­derung im Vor­feld ein­er vom Arbeit­ge­ber beab­sichtigten Kündi­gung ste­ht im Zusam­men­hang mit der Pflicht­en­bindung des Arbeit­ge­bers durch die Anforderun­gen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berück­sich­ti­gung der Schwer­be­hin­derung bei der Sozialauswahl ver­langt, sowie durch den Son­derkündi­gungss­chutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündi­gung der vorheri­gen Zus­tim­mung des Inte­gra­tionsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeit­ge­ber ermöglichen, sich recht­streu zu ver­hal­ten. Die Frage diskri­m­iniert behin­derte Arbeit­nehmer nicht gegenüber solchen ohne Behin­derung. Auch daten­schutzrechtliche Belange ste­hen der Zuläs­sigkeit der Frage nicht ent­ge­gen. Infolge der wahrheitswidri­gen Beant­wor­tung der ihm recht­mäßig gestell­ten Frage nach sein­er Schwer­be­hin­derung ist es dem Kläger unter dem Gesicht­spunkt wider­sprüch­lichen Ver­hal­tens ver­wehrt, sich im Kündi­gungss­chutzprozess auf seine Schwer­be­hin­derteneigen­schaft zu berufen.

Henn emp­fahl, die Entschei­dung zu beacht­en und in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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