(Stuttgart) Das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 07. August 2012 zum Akten­ze­ichen 9 AZR 353/10 eine grundle­gende Entschei­dung zum Urlaub­sanspruch im langjährig ruhen­den Arbeitsver­hält­nis getroffen.

Zunächst hat das BAG klargestellt, so der Han­nover­an­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Armin Rudolf vom VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, dass jed­er Arbeit­nehmer nach § 1 Bun­desurlaub­s­ge­setz (BUrlG) in jedem Kalen­der­jahr auch dann einen Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub hat, wenn er im gesamten Urlaub­s­jahr arbeit­sun­fähig erkrankt war.

Dies gilt – so das BAG in der vor­erwäh­n­ten Entschei­dung – auch, wenn der Arbeit­nehmer eine befris­tete Rente wegen Erwerb­s­min­derung bezo­gen hat und eine tar­i­fliche Regelung bes­timmt, dass das Arbeitsver­hält­nis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht. Als Begrün­dung führt das BAG an, dass der geset­zliche Min­desturlaub­sanspruch nicht zur Dis­po­si­tion der Tar­ifver­tragsparteien ste­ht. Es gel­ten vielmehr auss­chließlich die geset­zlichen Regelungen.

Gem. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG muss der Urlaub grund­sät­zlich im laufend­en Jahr gewährt und genom­men wer­den. Aus­nahm­sweise ist gem. § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG eine Über­tra­gung des Urlaubs auf das näch­ste Kalen­der­jahr statthaft, wenn drin­gende betriebliche oder in der Per­son des Arbeit­nehmers liegende Gründe dies recht­fer­ti­gen. Insoweit ist seit jeher anerkan­nt, dass eine lang andauernde Erkrankung einen in der Per­son des Arbeit­nehmers liegen­den Grund im Sinne der vor­erwäh­n­ten Norm darstellt. Gem. § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG muss der Urlaub im Fall der Über­tra­gung, also im Fall des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG, in den ersten drei Monat­en des fol­gen­den Kalen­der­jahres gewährt und genom­men wer­den. Gem. § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugel­ten, wenn er wegen der Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es ganz oder teil­weise nicht gewährt wer­den kann.

Das BAG ging daher früher in ständi­ger Recht­sprechung davon aus, dass der Anspruch auf Urlaub spätestens nach dem Ende der ersten drei Monate, welche auf das vor­ange­gan­gene Kalen­der­jahr fol­gen, erlis­cht, wenn ein Arbeit­nehmer krankheits­be­d­ingt nicht in der Lage war, den Urlaub anzutreten. Mit der Entschei­dung des Europäis­chen Gericht­shofs (EuGH) vom 20. Jan­u­ar 2009 in der Sache „Schultz – Hoff“ wurde eine Recht­sprechungsän­derung ein­geleit­et. Der EuGH bes­timmte, dass eine nationale Regelung grund­sät­zlich den Ver­lust des Urlaub­sanspruchs am Ende eines Bezugs- oder Über­tra­gungszeitraums vorse­hen kann, wie dies im Deutschen Bun­desurlaub­s­ge­setz geregelt wurde. Voraus­set­zung hier­für ist jedoch nach der Recht­sauf­fas­sung des EuGH, dass der Arbeit­nehmer tat­säch­lich die Möglichkeit hat­te, den Anspruch auszuüben. Dies ist aber nicht der Fall, wenn ein Arbeit­nehmer während des Bezugszeitraums oder eines Teils davon arbeit­sun­fähig erkrankt war und seine Arbeit­sun­fähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsver­hält­niss­es fort­dauert. In einem solchen Fall kann nach Ansicht des EuGH eine nationale Regelung nicht das Erlöschen des Urlaub­sanspruchs vorse­hen. Das BAG hat demgemäß die Recht­sprechung des EuGH mit sein­er Entschei­dung vom 24. März 2009 zum Akten­ze­ichen 9 AZR 983/07 auf das Deutsche Urlaub­srecht über­tra­gen und zwis­chen­zeitlich durch mehrere nach­fol­gende Urteile bestätigt. Danach sind die Regelun­gen in § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG in der Art und Weise auszule­gen, dass geset­zliche Urlaub­sansprüche nicht erlöschen, wenn ein Arbeit­nehmer auf­grund krankheits­be­d­ingter Arbeit­sun­fähigkeit gehin­dert war, den Urlaub im Urlaub­s­jahr bzw. im Über­tra­gungszeitraum zu nehmen.

Mit dem Urteil des BAG vom 07. August 2012 wurde nun­mehr klargestellt, so Rudolf, dass bei langjährig arbeit­sun­fähi­gen Arbeit­nehmern § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG so auszule­gen ist, dass der Urlaub­sanspruch nicht über mehrere Jahre hin­weg ange­sam­melt wer­den kann, son­dern 15 Monate nach Ablauf des Urlaub­s­jahres verfällt.

  • Kon­se­quenz für Arbeitgeber 

Aus der Sicht von Arbeit­ge­bern ist das Urteil des BAG aus­drück­lich zu begrüßen, weil dadurch Rechtssicher­heit geschaf­fen wird, was die Behand­lung von Urlaub­sansprüchen langjährig erkrank­ter Arbeit­nehmer anbe­langt. Nun­mehr kön­nen sich Arbeit­ge­ber darauf ein­stellen, was finanziell auf sie zukommt, wenn das Arbeitsver­hält­nis been­det wird, ohne dass die Arbeits­fähigkeit wieder hergestellt wer­den kon­nte. Arbeit­ge­ber müssen wegen der möglichen Urlaub­sabgel­tungsansprüche ggf. Rück­stel­lun­gen bilden.

  • Tipp für Arbeitgeber

Die Entschei­dung des BAG bet­rifft nur den geset­zlichen Min­desturlaub und den Zusatzurlaub schwer­be­hin­dert­er Men­schen. Soweit es über den Min­desturlaub hin­aus­ge­hende Urlaub­sansprüche gibt, was in der Prax­is regelmäßig der Fall ist, soll­ten Arbeit­ge­ber eine aus­drück­liche Regelung der Befris­tung und Erfüll­barkeit des Urlaubs- und Urlaub­sabgel­tungsanspruchs in ihre Arbeitsverträge aufnehmen. Auf diese Art und Weise kann zumin­d­est der Anspruch des über den geset­zlichen Min­desturlaub hin­aus­ge­hen­den Urlaubs so gehand­habt wer­den wie es in der Ver­gan­gen­heit der Fall gewe­sen ist.

Rudolf emp­fahl, dies zu beacht­en und emp­fahl sowohl Arbeit­ge­bern als auch Arbeit­nehmern  in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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