Bun­de­sar­beits­gericht: Keine Ver­traulichkeit­ser­wartung bei Het­ze in geschlossen­er Chatgruppe

(Stuttgart) Wer als Mitar­beit­er in ein­er Chat­gruppe ras­sis­tisch und sex­is­tisch über Kol­le­gen herzieht, muss mit ein­er frist­losen Kündi­gung rech­nen. Erfährt der Arbeit­ge­ber über die Chat­in­halte, kann er diese vor Gericht ver­w­erten. Auf eine „Ver­traulichkeit­ser­wartung“ kann sich der Mitar­beit­er im Regelfall nicht berufen, so die aktuelle Entschei­dung des Bundesarbeitsgerichts.

Die rechtliche Lage fasst der Ham­burg­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e.V. (VDAA) zusam­men. 

Belei­di­gun­gen, Het­ze, Ras­sis­mus als Kündigungsgrund

Will ein Arbeit­ge­ber ein Arbeitsver­hält­nis außeror­dentlich frist­los kündi­gen, so muss dafür nach dem Gesetz ein wichtiger Grund gem. § 626 Bürg­er­lich­es Geset­zbuch (BGB) vor­liegen. Gravierende Belei­di­gun­gen, Het­ze oder ras­sis­tis­che Äußerun­gen im Arbeitsver­hält­nis gegenüber Kol­legin­nen und Kol­le­gen stellen einen solchen wichti­gen Grund dar.

„Greift der gekündigte Arbeit­nehmer eine solche Kündi­gung an, ist es Sache des Arbeit­ge­bers, das Fehlver­hal­ten vor Gericht darzule­gen“, erläutert Arbeit­srechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott. In vie­len Fällen ist das Gericht dazu auf Beweis­mit­tel wie etwa Zeu­ge­naus­sagen angewiesen.

Nicht jedes Beweis­mit­tel darf aber vom Gericht zur Ken­nt­nis genom­men wer­den: „Wird etwa ein ver­traulich­es Gespräch zwis­chen Eheleuten vom Arbeit­ge­ber heim­lich abge­hört, so darf darauf keine Kündi­gung gestützt wer­den. In einem solchen Fall darf der Arbeit­nehmer darauf ver­trauen, dass Dritte seine Äußerun­gen nicht erfahren“. Der per­sön­lichkeit­srechtliche Schutz und die Ver­traulichkeit der Kom­mu­nika­tion über­wiegen in diesem Fall das Ver­w­er­tungsin­ter­esse des Arbeitgebers.

Beru­fliche Chat­gruppe kein geschützter Raum

Anderes gilt aber, wenn sich Betrieb­sange­hörig in ein­er What­sApp-Chat­gruppe aus­tauschen, so urteilte nun­mehr das Bun­de­sar­beits­gericht (Urt. v. 24.8.2023, Az.: 2 AZR 17/23). Der Entschei­dung lag ein Fall zugrunde, in dem sich sieben Kol­le­gen in ein­er geschlosse­nen What­sApp-Chat­gruppe miteinan­der austauschten.

Die Mit­glieder der Chat­gruppe waren dabei auch befre­un­det, zwei Teil­nehmer überdies miteinan­der ver­wandt. In der Chat­gruppe wurde sodann belei­di­gend und men­schen­ver­ach­t­end über Vorge­set­zte und Arbeit­skol­le­gen gesprochen. Durch einen Zufall erhielt der Arbeit­ge­ber Ken­nt­nis über die Inhalte des Chats. Darauf kündigte er die Arbeitsver­hält­nisse mehrerer Chat­teil­nehmer außeror­dentlich frist­los. Der beteiligte Betrieb­srat hat­te den Kündi­gun­gen aus­drück­lich zugestimmt.

Dage­gen wehrten sich die gekündigten Mitar­beit­er und waren mit ihrer Kündi­gungss­chutzk­lage vor dem Lan­desar­beits­gericht Nieder­sach­sen (Urt. v. 19.12.2022, Az.: 15 Sa 284/22) zunächst erfol­gre­ich. Sie beriefen sich im Prozess ins­beson­dere auf die Ver­traulichkeit des Chats, denn sie seien davon aus­ge­gan­gen, dass man mit den Äußerun­gen „unter sich“ bliebe. 

Bun­de­sar­beits­gericht: Het­ze im Chat ste­ht Ver­traulichkeit entgegen

Diese Entschei­dung hoben die höch­sten deutschen Arbeit­srichter nun­mehr auf: Wer sich belei­di­gend und men­schen­ver­ach­t­end über Kol­le­gen äußere, dürfe nicht erwarten, dass die Äußerun­gen ver­traulich blieben, so die Aus­sagen in der Pressemit­teilung (Nr. 33/23) des Bun­de­sar­beits­gerichts. Ein Arbeit­nehmer könne in einem solchen Fall im regelmäßig nicht darauf ver­trauen, dass von den Äußerun­gen kein­er erfahre. Berufe er sich den­noch auf die Ver­traulichkeit des Chats, so müsse er im Einzel­nen dar­legen, warum er davon aus­ging, dass kein anderes Grup­pen­mit­glied die Inhalte des Chats an Dritte weit­ergeben werde.

„Nur unter eng­sten Fre­un­den und Fam­i­lien­mit­gliedern darf ich äußern, was ich möchte, und kann ich mir sich­er sein, dass eine Ver­w­er­tung dieser Äußerun­gen durch Dritte nicht erfol­gen darf“, bew­ertet Arbeit­srecht­san­walt Fuhlrott vom Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e.V. die Entschei­dung. Äußerun­gen im Chat mit Kol­le­gen, selb­st wenn mit diesen eine Fre­und­schaft beste­he, fie­len nicht darunter. Je größer die Chat­gruppe werde, umso schw­er­er dürfte es sein, die vom Gericht geforderte strik­te und auf Dauer angelegte Ver­traulichkeit zu beweisen, schätzt der Ham­burg­er Arbeitsrechtler.

„Das Bun­de­sar­beits­gericht macht auch deut­lich, dass ger­ade bei sozialen Medi­en die Gefahr ein­er schnellen und unkon­trol­lierten Weit­er­ver­bre­itung von Äußerun­gen beste­ht. Wenn sich ein Arbeit­nehmer in einem solchen Fall gle­ich­wohl auf Ver­traulichkeit berufen möchte, muss er genau dar­legen, warum er davon aus­ging“, so Arbeit­srechtler Fuhlrott zusammenfassend.

Für Rück­fra­gen ste­ht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Michael Fuhlrott
Recht­san­walt | Fachan­walt für Arbeitsrecht

FHM Recht­san­wälte
Rothen­baum­chaussee 5 | 20148 Ham­burg | Tel.: 040 – 36 111 83 0
fuhlrott@fhm-law.de
www.fhm-law.de