(Stuttgart) Bei Insol­venz des Arbeit­ge­bers kann der Insol­ven­zver­wal­ter nach Maß­gabe der §§ 129 ff. InsO vom Arbeit­nehmer das zu bes­timmten Zeit­punk­ten aus­bezahlte Arbeit­sent­gelt zu Gun­sten der Insol­venz­masse zurück­fordern. Dies dient der gemein­schaftlichen Befriedi­gung der Insol­ven­zgläu­biger nach den insol­ven­zrechtlichen Verteilungsregeln.

Der Rück­gewähranspruch umfasst das gesamte Arbeit­sent­gelt ein­schließlich des geset­zlichen Min­dest­lohns. Der Geset­zge­ber hat den Min­dest­lohn nicht anfech­tungs­frei gestellt.

Darauf ver­weist der Kiel­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Jens Klar­mann, Vizepräsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf das Urteil des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 497/21.

Die beklagte Arbeit­nehmerin erhielt in den let­zten bei­den Monat­en vor dem Insol­ven­zantrag – und damit in von § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO erfassten Zeiträu­men – unter Angabe des Ver­wen­dungszwecks für zwei Monate ihr Arbeit­sent­gelt von dem Kon­to der Mut­ter ihres damals bere­its zahlung­sun­fähi­gen Arbeit­ge­bers. Am 1. Dezem­ber 2016 wurde das Insol­ven­zver­fahren über das Ver­mö­gen des Arbeit­ge­bers eröffnet. Der auf Rück­gewähr kla­gende Insol­ven­zver­wal­ter hat die Zahlun­gen wegen sog. Inkon­gruenz ange­focht­en. Nach Ansicht der Beklagten ist eine Anfech­tung in Höhe des Exis­tenzmin­i­mums bzw. in Höhe des Min­dest­lohns unzulässig.

Das Lan­desar­beits­gericht hat der Klage teil­weise stattgegeben. Die Voraus­set­zun­gen ein­er Anfech­tung nach § 131 InsO seien zwar erfüllt, der Min­dest­lohn könne aber nicht zurück­ge­fordert wer­den. Hierge­gen hat sich der Kläger mit sein­er Revi­sion gewandt. Die Beklagte hat Anschlussre­vi­sion erhoben und die voll­ständi­ge Abweisung der Klage verlangt.

Nur die Revi­sion des Klägers hat­te vor dem Sech­sten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts Erfolg. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­desar­beits­gerichts und der Beklagten ist die Klage in voller Höhe begrün­det. Eine grund­sät­zliche Ein­schränkung der Insol­ven­zan­fech­tung ist ver­fas­sungsrechtlich nicht geboten. Der Schutz des Exis­tenzmin­i­mums des Arbeit­nehmers wird durch die Pfän­dungss­chutzbes­tim­mungen der Zivil­prozes­sor­d­nung und das Sozial­recht gewährleis­tet. Der insol­ven­zrechtliche Rück­gewähranspruch bezieht sich uneingeschränkt auch auf den geset­zlichen Min­dest­lohn. Wurde dieser durch Zahlung erfüllt, enden die Rechtswirkun­gen des Min­dest­lohnge­set­zes. Einen Auss­chluss der Anfecht­barkeit oder einen beson­deren Voll­streck­ungss­chutz hat der Geset­zge­ber nicht vorgesehen.

Klar­mann emp­fahl, den Aus­gang zu beacht­en sowie in Zweifels­fällen, um Recht­srat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.      

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