Bun­de­sar­beits­gericht präzisiert seine Recht­sprechung zur Halt­barkeit von Urlaub­sansprüchen 

(Stuttgart) Endet das Arbeitsver­hält­nis, ist nicht genommen­er Urlaub abzugel­ten, also an den Arbeit­nehmer auszuzahlen. Dieser sog. Urlaub­sabgel­tungsanspruch kann aber nicht zeitlich unbe­gren­zt gel­tend gemacht wer­den, er unter­liegt der regelmäßi­gen drei­jähri­gen Ver­jährungs­frist. Mit ein­er aktuellen Entschei­dung stärkt das Bun­de­sar­beits­gericht die Rechte von Arbeit­ge­bern und präzisiert seine auf­se­hen­erre­gende  Recht­sprechung aus Dezem­ber 2022.  

Die Recht­slage stellt der Ham­burg­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott dar. 

Urlaub: Aufk­lärungspflicht des Arbeit­ge­bers seit 2018 

Regelun­gen zum Urlaub find­en sich im deutschen Bun­desurlaub­s­ge­setz (BUrlG). Danach ver­fällt Urlaub grund­sät­zlich zum Jahre­sende, nur aus­nahm­sweise darf er bis Ende März des Fol­ge­jahres noch „mitgenom­men“ wer­den (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Nicht genommen­er Urlaub ist bei Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es auszuzahlen (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

Das deutsche Urlaub­srecht wird aber maßge­blich durch union­srechtliche Vor­gaben geprägt: Die europäis­che Arbeit­szeit-Richtlin­ie enthält weit­ere Regelun­gen, die die deutschen Gerichte zu beacht­en haben. Über deren Ausle­gung und Ein­hal­tung wacht der Europäis­che Gericht­shof (EuGH). Dieser hat­te Arbeit­ge­bern bere­its mit ein­er Entschei­dung aus dem Jahr 2018 (Urt. v. 6.11.2018, Az.: C‑684/16) eine Aufk­lärungspflicht ins Stamm­buch geschrieben: Wenn ein Arbeit­nehmer von seinem Arbeit­ge­ber nicht „durch angemessene Aufk­lärung tat­säch­lich in die Lage ver­set­zt“ werde, seinen Urlaub tat­säch­lich zu beanspruchen, dürfe der Urlaub nicht verfallen.

Das Bun­de­sar­beits­gericht set­zte diese Entschei­dung sodann 2019 (Urt. v. 19.2.2019, Az.: 9 AZR 423/16) um. Es schuf eine arbeit­ge­ber­seit­ige Hin­weis- und Aufk­lärungspflicht. Nur, wenn der Arbeit­ge­ber diese erfüllt hat­te, durfte Urlaub nach den Vor­gaben des BUrlG zum Jahre­sende bzw. zum 31.3. des Fol­ge­jahres verfallen.

„Beliebter Ret­tungsanker für Unternehmen war in solchen Fällen aber weit­er­hin das Berufen auf die regelmäßige drei­jährige Ver­jährungs­frist“, so Arbeit­srechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott: „Auch Unternehmen, die ihre Hin­weispflicht nicht erfüllt hat­ten, kon­nten weit­erge­hen­den Urlaub­swün­schen der let­zten Jahre einen Riegel vorschieben“. 

Keine Ver­jährung des Urlaubsanspruchs

Mit ein­er Entschei­dung des Bun­de­sar­beits­gerichts aus Dezem­ber 2022 (BAG, Urt. v. 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 = PM Nr. 48/22 des BAG) hat­ten die höch­sten deutschen Arbeit­srich­terin­nen und Arbeit­srichter diese Recht­sprechung aber geän­dert und kurz vor Wei­h­nacht­en für eine vorzeit­ige Bescherung gesorgt.

Denn sie entsch­ieden, dass Urlaub nur dann ver­jähren kann, wenn Unternehmen zuvor ihre Mitar­beit­er darauf hingewiesen hat­ten, dass ihnen Urlaub zuste­ht, der bei fehlen­der Inanspruch­nahme ver­fällt. „Unternehmen, die dem nicht nachgekom­men waren, durften sich nach der Entschei­dung nicht mehr auf Ver­jährung berufen. Damit kon­nten auch noch Ansprüche aus den let­zten Jahren gel­tend gemacht wer­den“, so Fachan­walt Fuhlrott.

„Der Arbeit­nehmer­schutz stach hier die regelmäßige drei­jährige Ver­jährungs­frist“, so die Einord­nung der Entschei­dung durch Prof. Dr. Fuhlrott. „Ein Arbeit­ge­ber, der durch eine fehlende Aufk­lärung den Arbeit­nehmer zuvor nicht in die Lage ver­set­zt habe, den Urlaub tat­säch­lich wahrzunehmen, durfte nicht durch ein erfol­gre­ich­es Berufen auf Ver­jährung belohnt wer­den“, fasst Fuhlrott die Aus­sagen der Entschei­dung zu. Das deutsche Ver­jährungsrecht müsse in einem solchen Fall hin­ter den Vor­gaben der Arbeit­szeitrichtlin­ie zurücktreten.

Stre­it­frage: Gilt für die Abgel­tung nicht genomme­nen Urlaubs eine zeitliche Grenze?

„Unklar war nach dieser Entschei­dung aber, ob dies auch für die Abgel­tung nicht genommen­er Urlaub­sansprüche galt“, so erk­lärt Michael Fuhlrott. „Wäre dies der Fall, hät­ten Arbeit­nehmer ihren vor­ma­li­gen Arbeit­ge­ber auf Auszahlung nicht genommen­er Urlaub­sansprüche der let­zten 20 oder 30 Jahre verk­la­gen kön­nen. Damit bestand die Gefahr ein­er Klagewelle von Arbeit­nehmern gegen ihre vor­ma­li­gen Arbeit­ge­ber“, so der Ham­burg­er Arbeit­srechtler. 

Bun­de­sar­beits­gericht: Anspruch auf Auszahlung alten Urlaubs ver­jährt weiterhin

Dem schob das Bun­de­sar­beits­gericht in sein­er aktuellen Entschei­dung (Urt. v. 31.1.2023, Az.: 456/20 = PM Nr. 5/23) nun aber einen Riegel vor:

Danach unter­liegt der Anspruch eines Arbeit­nehmers auf Urlaub­sabgel­tung weit­er­hin der drei­jähri­gen Ver­jährungs­frist. Diese läuft mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeit­nehmer aus dem Arbeitsver­hält­nis aus­geschieden ist, an. „Das Gericht begrün­det dies damit, dass die Schutzbedürftigkeit des Arbeit­nehmers mit dem Ende des Arbeitsver­hält­niss­es ent­fällt. Ab dann gel­ten die nor­malen Vorschriften – und damit auch die regelmäßige Ver­jährungs­frist“, so Arbeit­srechtler Fuhlrott.

Hinzukommt: Sehen Tar­ifverträge zudem engere Fris­ten zur Gel­tend­machung von Ansprüchen vor, so find­en diese eben­falls Anwen­dung. Auch dies entsch­ied das Bun­de­sar­beits­gericht in sein­er Entschei­dung (Urt. v. 31.1.2023, Az.: 9 AZR 244/20 = PM. Nr. 6/23)

„Arbeit­ge­ber dürften aufatmen“

„Arbeit­ge­ber haben nach den heuti­gen Entschei­dun­gen Grund zum Aufat­men: Denn das Bun­de­sar­beits­gericht schiebt der zeitlich unbe­gren­zten Inanspruch­nahme von Altar­beit­ge­bern auf Auszahlung nicht genommen­er Urlaub­sansprüche der Vor­jahre einen deut­lichen Riegel vor. Der durch Ver­jährung und Ver­fall­fris­ten bezweck­te Rechts­frieden sticht union­srechtliche Hin­weispflicht­en jeden­falls bei Zahlungsansprüchen“, fasst Arbeit­srecht­spro­fes­sor Fuhlrott die Entschei­dun­gen abschließend zusammen.

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