(Stuttgart) Das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 20. Sep­tem­ber 2012 zum Akten­ze­ichen 6 AZR 155/11 abschließend über die Kündi­gungss­chutzk­lage ein­er Arbeit­nehmerin entsch­ieden, die sich auf den Stand­punkt gestellt hat­te, dass die ihr gegenüber aus­ge­sproch­ene Kündi­gung ihres Arbeitsver­hält­niss­es bere­its deshalb recht­sun­wirk­sam sei, weil der im Betrieb des beklagten Unternehmens beste­hende Betrieb­srat nicht formwirk­sam über die Masse­nent­las­sung unter­richtet wor­den sei, deren Bestandteil ihre Kündi­gung war.

Beab­sichtigt ein Arbeit­ge­ber, eine Masse­nent­las­sung vorzunehmen, so der Han­nover­an­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Armin Rudolf vom VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, so hat er den Betrieb­srat nach § 17 Abs. 2 S. 1 Kündi­gungss­chutzge­setz (KSchG) schriftlich unter anderem über die Gründe für die geplanten Ent­las­sun­gen zu unter­richt­en. In dem vom BAG entsch­iede­nen Fall wurde bei der Unter­rich­tung des Betrieb­srats nicht die Schrift­form des § 126 BGB (eigen­händi­ge Namen­su­n­ter­schrift des Ausstellers des Schrift­stücks bzw. notariell beglaubigtes Handze­ichen) gewahrt. Mit dem Betrieb­srat wurde aber ein Inter­esse­naus­gle­ich mit Namensliste abgeschlossen. In diesem Inter­esse­naus­gle­ich erk­lärte der Betrieb­srat abschließend, er sei umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unter­richtet wor­den. Dies erachtet das BAG als ausreichend. 

Ein etwaiger Schrift­for­m­man­gel der Unter­rich­tung über eine geplante Masse­nent­las­sung wird durch die abschließende Stel­lung­nahme des Betrieb­srats im Inter­esse­naus­gle­ich geheilt. Dafür spricht – so das BAG in der vor­erwäh­n­ten Entschei­dung – der Zweck des Unter­rich­tungser­forderniss­es. Dieser beste­ht darin, dass der Betrieb­srat kon­struk­tive Vorschläge unter­bre­it­en kön­nen soll, um eine Masse­nent­las­sung zu ver­hin­dern oder die Zahl der zu kündi­gen­den Mitar­beit­er einzuschränken. Diesem Zweck wird nach Auf­fas­sung des BAG genügt, wenn der Betrieb­srat auf­grund schriftlich fix­iert­er Angaben des Arbeit­ge­bers zu den geplanten Ent­las­sun­gen eine abschließende Stel­lung­nahme abgibt (allein mündlich getrof­fene Vere­in­barun­gen reichen also keines­falls aus). Das BAG hat damit die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen (Arbeits­gericht Pader­born; Lan­desar­beits­gericht Hamm) bestätigt. 

  • Kon­se­quenz für Arbeitnehmer 

Arbeit­nehmer wis­sen bei Ausspruch ein­er betrieb­s­be­d­ingten Kündi­gung ihres Arbeitsver­hält­niss­es regelmäßig nicht, ob die Kündi­gung ein­er gerichtlichen Über­prü­fung stand­hält. Das gilt ins­beson­dere für die Beach­tung der For­malien, aber auch für den Kündi­gungs­grund an sich. Dieser Grund­satz gilt auch im Rah­men von Masse­nent­las­sun­gen, selb­st wenn ein Inter­esse­naus­gle­ich mit Namensliste zwis­chen den Betrieb­spart­nern abgeschlossen wurde. Arbeit­nehmer sind demgemäß regelmäßig ger­adezu gezwun­gen, frist­gerecht eine Kündi­gungss­chutzk­lage zu erheben, um im Laufe des Rechtsstre­its abklären zu lassen, ob die Kündi­gung sozial gerecht­fer­tigt ist. 

  • Tipp für Arbeitgeber 

Hat ein Arbeit­ge­ber Kündi­gun­gen aus­ge­sprochen, ohne die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforder­liche Masse­nent­las­sung ord­nungs­gemäß gegenüber der zuständi­gen Agen­tur für Arbeit anzuzeigen, sind die Kündi­gun­gen nach § 134 BGB nichtig. Die Anzeige muss erfol­gen, bevor die jew­eilige Kündi­gung des indi­vidu­ell betrof­fe­nen Mitar­beit­ers aus­ge­sprochen wird. Eine Heilung durch eine Anzeige gegenüber der Arbeit­sagen­tur nach Kündi­gungsausspruch ist nicht möglich. Beteiligt der Arbeit­ge­ber den Betrieb­srat nicht, nicht rechtzeit­ig oder fehler­haft, so kann er die Masse­nent­las­sung grund­sät­zlich nicht wirk­sam anzeigen und fol­glich eben­falls nicht rechtswirk­sam kündi­gen. Arbeit­ge­bern ist daher anzu­rat­en, auf die Anzeige und die Unter­rich­tung des Betrieb­srats nach § 17 KSchG größte Sorgfalt zu ver­wen­den. Das vor­liegende Urteil des BAG kann auf­grund der Beson­der­heit­en des Einzelfalls keines­falls als „Freifahrtschein“ gew­ertet wer­den, um sich in diesem Bere­ich Nach­läs­sigkeit­en zu erlauben.

Rudolf emp­fahl, dies zu beacht­en und emp­fahl sowohl Arbeit­ge­bern als auch Arbeit­nehmern  in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.  
 

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