(Stuttgart) Durch den Antrag beim Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung innerhalb der Zweiwochenfrist des § 91 Abs. 2 SGB IX wahrt der Arbeitgeber auch die Ausschlussfrist für solche Kündigungsgründe, die im Zeitpunkt der ersten, in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft ausgesprochenen und in Ermangelung der Zustimmung des Integrationsamtes unwirksamen Kündigung noch nicht verfristet waren.

Darauf verweist die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht Monika Birnbaum, MM, Mitglied im VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz vom 21.09.2011 – 8 Sa 175/11.  

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung sowie über das Zustimmungserfordernis des § 85 SGB IX.   

Der Arbeitgeber erlangte Kenntnis vom außerordentlichen Kündigungsgrund, hörte den Kläger an und sprach innerhalb von zwei Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB eine fristlose Kündigung aus. Hiernach teilte der Kläger erstmals mit, dass er bereits vor einem Jahr einen bisher noch nicht entschiedenen Antrag auf Anerkennung seiner Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hätte. Der Arbeitgeber beantragte daraufhin innerhalb von zwei weiteren Wochen die Zustimmung zur fristlosen Kündigung beim Integrationsamt. Nach Ablauf der Zustimmungsfiktionsfrist gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX sprach er unverzüglich eine weitere fristlose Kündigung aus. Über die Wirksamkeit dieser Kündigungen war zu entscheiden.   

Das LAG entschied, dass die zweite Kündigung wirksam und nicht verfristet war. Die Fristen aus § 626 Abs. 2 BGB und § 91 Abs. 2 SGB IX waren gewahrt, da   

  1. die erste (unwirksame) Kündigung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nach Kenntniserlangung erfolgte,
  2. der Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beim Integrationsamt innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft einging,
  3. die Kündigung unverzüglich nach Eintritt der Fiktion ausgesprochen wurde.  

Das LAG begründete die Wahrung der Frist nach § 91 Abs. 2 SGB X damit, dass zu den Kündigungstatsachen, die für den Fristbeginn maßgeblich sind, auch die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers gehört. Es bestätigte damit eine alte Rechtsprechung des BAG, so Birnbaum. (Urteil vom 14.05.1982 – 7 AZR 1221/79).   

Da der Arbeitgeber die erste unwirksame Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen hatte und dann nach Kenntniserlangung von der Schwerbehinderteneigenschaft wiederum innerhalb von zwei Wochen den Antrag auf Zustimmung gestellt und nach der Zustimmungsfiktion unverzüglich die Kündigung ausgesprochen hatte, war die Frist noch nicht abgelaufen und die zweite Kündigung wirksam. 
 

  • Hinweis für Arbeitgeber:  

Ein Arbeitgeber, der erstmals nach Ausspruch einer Kündigung von der Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers erfährt, muss innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung des Integrationsamtes zu beantragen und nach Zugang eines entsprechenden Bescheides bzw. nach Ablauf der Zustimmungsfiktionsfrist unverzüglich eine weitere Kündigung wegen des ursprünglichen Sachverhaltes aussprechen.   

Birnbaum empfahl, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei sie u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.  

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Monika Birnbaum MM
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Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin 

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