(Stuttgart) Ein Rechtsstre­it kann in entsprechen­der Anwen­dung von § 148 Abs. 1 ZPO aus­ge­set­zt wer­den, wenn entschei­dungser­he­blich ist, wie Union­srecht auszule­gen ist, und zu dieser Frage bere­its ein Vor­abentschei­dungsver­fahren vor dem Gericht­shof der Europäis­chen Union anhängig ist.

Darauf ver­weist der Kiel­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Jens Klar­mann, Vizepräsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die entsprechende Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) zu seinem Beschluss vom 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) –.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Süßwarenin­dus­trie. Der Kläger ver­sieht bei ihr Nachtar­beit im Rah­men von Wech­selschichtar­beit. Die Parteien sind an den Bun­des­man­teltar­ifver­trag für die Angestell­ten, gewerblichen Arbeit­nehmer und Auszu­bilden­den der Süßwarenin­dus­trie vom 14. Mai 2007 (BMTV) gebun­den. Der BMTV bes­timmt, dass für Nachtar­beit in Schichtar­beit und Wech­selschichtar­beit, die in die Nachtzeit von 22:00 bis 06:00 Uhr fällt, ein Zuschlag von 15 % je Stunde zu zahlen ist. Für Nachtar­beit in Schichtar­beit und Wech­selschichtar­beit, die regelmäßig länger als 14 Tage über­wiegend in die Nachtzeit von 22:00 bis 06:00 Uhr fällt, ist ein Zuschlag von 20 % je Stunde geschuldet. Son­stige Nachtar­beit ist mit zusät­zlich 60 % je Stunde zu vergüten.

Mit sein­er Klage ver­langt der Kläger von der Beklagten für die von ihm in der Nachtzeit erbracht­en Arbeitsstun­den eine höhere als die bere­its geleis­tete Vergü­tung. Er ist der Auf­fas­sung, die Regelun­gen im BMTV zu den Zuschlä­gen für Nachtar­beit in Schichtar­beit und Wech­selschichtar­beit ver­stießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den union­srechtlichen Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satz. Arbeit zur Nachtzeit werde in unter­schiedlich­er Höhe vergütet. Andere Umstände als der Gesund­heitss­chutz kön­nten höhere Zuschläge nicht recht­fer­ti­gen. Er habe deshalb Anspruch auf die Zuschläge von 60 % je Stunde für son­stige Nachtar­beit. Die Beklagte ist der Ansicht, die tar­ifver­traglichen Bes­tim­mungen seien wirk­sam. Die allen­falls mit­tel­bar an die Grun­drechte gebun­de­nen Tar­ifver­tragsparteien hät­ten den ihnen nach Art. 9 Abs. 3 GG zuk­om­menden weit­en Gestal­tungs- und Beurteilungsspiel­raum einge­hal­ten. Der Zuschlag für unregelmäßige Nachtar­beit solle nicht nur die Erschw­er­nis für die Arbeit in der Nacht aus­gle­ichen, son­dern diene auch dem Schutz der Freizeit der Arbeit­nehmer. Eine sog. Anpas­sung nach oben erweit­ere den Kosten­rah­men der Beklagten in unzu­mut­barem Umfang.

Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen. Der Zehnte Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts set­zt den Rechtsstre­it in entsprechen­der Anwen­dung von § 148 Abs. 1 ZPO aus, bis der Gericht­shof der Europäis­chen Union über die Vor­abentschei­dungser­suchen – C‑257/21 – und – C‑258/21 – [Coca-Cola Euro­pean Part­ners Deutsch­land ua.] entsch­ieden hat.

Diese bei­den Vor­abentschei­dungser­suchen sind in zwei von fast 400 vor dem Zehn­ten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts anhängi­gen Revi­sionsver­fahren ergan­gen, in denen es um die Höhe tar­i­flich­er Zuschläge für Arbeitsstun­den geht, die in Nachtschicht­en geleis­tet wer­den. Entschei­dungser­he­blich sind Fra­gen der Ausle­gung von Union­srecht. Der Sen­at hat den Gericht­shof der Europäis­chen Union um Vor­abentschei­dung über diese Fra-gen ersucht (BAG 9. Dezem­ber 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – und – 10 AZR 333/20 (A)  -, vor dem Gericht­shof anhängig unter – C‑257/21 – und – C‑258/21 – [Coca-Cola Euro­pean Part­ners Deutsch­land ua.]). Sie stellen sich in gle­ich­er Weise in dem geführten Rechtsstreit.

Klar­mann emp­fahl, dies zu beacht­en sowie in Zweifels­fällen, um Recht­srat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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