(Stuttgart) Der Arbeit­ge­ber kann zur Umset­zung der ihn tre­f­fend­en arbeitss­chutzrechtlichen Verpflich­tun­gen berechtigt sein, auf Grund­lage eines betrieblichen Schutz- und Hygien­ekonzepts Coro­na-Tests ein­seit­ig anzuordnen.

Darauf ver­weist der Stuttgarter Fachan­walt für Arbeit­srecht Michael Henn, Präsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) zu seinem Urteil vom 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22 –.

Die Klägerin war als Flötistin an der Bay­erischen Staat­sop­er mit einem Brut­tomonats­ge­halt von zulet­zt 8.351,86 Euro beschäftigt. Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hat die Bay­erische Staat­sop­er, nach­dem sie zum Schutz der Mitar­beit­er vor COVID-19-Erkrankun­gen bere­its bauliche und organ­isatorische Maß­nah­men wie den Umbau des Büh­nen­bere­ichs und die Neuregelung von Zu- und Abgän­gen ergrif­f­en hat­te, im Rah­men ihres betrieblichen Hygien­ekonzepts in Zusam­me­nar­beit u.a. mit dem Insti­tut für Virolo­gie der Tech­nis­chen Uni­ver­sität München und dem Klinikum rechts der Isar eine Test­strate­gie entwick­elt. Vorge­se­hen war die Ein­teilung der Beschäftigten in Risiko­grup­pen und je nach Gruppe die Verpflich­tung zur Durch­führung von PCR-Tests in unter­schiedlichen Zeitab­stän­den. Als Orch­ester­musik­erin sollte die Klägerin zunächst wie alle Mitar­beit­er zu Beginn der Spielzeit einen neg­a­tiv­en PCR-Test vor­legen und in der Folge weit­ere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Die Bay­erische Staat­sop­er bot hier­für kosten­lose PCR-Tests an, alter­na­tiv kon­nten die Mitar­beit­er PCR-Test­be­funde eines von ihnen selb­st aus­gewählten Anbi­eters vor­legen. Der Klägerin wurde mit­geteilt, dass sie ohne Tes­tung nicht an Auf­führun­gen und Proben teil­nehmen könne. Sie hat sich geweigert, PCR-Tests durch­führen zu lassen und ins­beson­dere gemeint, diese seien zu unge­nau und stell­ten einen unver­hält­nis­mäßi­gen Ein­griff in ihre kör­per­liche Unversehrtheit dar. Anlass­lose Massen­tests seien unzuläs­sig. Der beklagte Freis­taat hat daraufhin in der Zeit von Ende August bis Ende Okto­ber 2020 die Gehalt­szahlun­gen eingestellt. Seit Ende Okto­ber 2020 legte die Klägerin ohne Anerken­nung ein­er Recht­spflicht PCR-Test­be­funde vor. Mit ihrer Klage hat sie für die Zeit von Ende August bis Ende Okto­ber 2020 Vergü­tung unter dem Gesicht­spunkt des Annah­mev­erzugs begehrt, hil­f­sweise die Bezahlung der Zeit­en häus­lichen Übens. Weit­er ver­langt sie, ohne Verpflich­tung zur Durch­führung von Tests jed­wed­er Art zur Fest­stel­lung von SARS-CoV­‑2 beschäftigt zu werden.

Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen. Die vom Sen­at nachträglich zuge­lassene Revi­sion der Klägerin hat­te keinen Erfolg.

Der Arbeit­ge­ber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeit­sleis­tun­gen, die unter sein­er Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeit­nehmer gegen Gefahren für Leben und Gesund­heit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeit­sleis­tung es ges­tat­tet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitss­chutznor­men des Arbeitss­chutzge­set­zes (Arb­SchG) konkretisieren den Inhalt der Für­sorgepflicht­en, die dem Arbeit­ge­ber hier­nach im Hin­blick auf die Sicher­heit und das Leben der Arbeit­nehmer obliegen. Zur Umset­zung arbeitss­chutzrechtlich­er Maß­nah­men kann der Arbeit­ge­ber Weisun­gen nach § 106 Satz 2 GewO hin­sichtlich der Ord­nung und des Ver­hal­tens der Arbeit­nehmer im Betrieb erteilen. Das hier­bei zu beach­t­ende bil­lige Ermessen wird im Wesentlichen durch die Vor­gaben des Arb­SchG konkretisiert.

Hier­von aus­ge­hend war die Anweisung des beklagten Freis­taats zur Durch­führung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygien­ekonzept der Bay­erischen Staat­sop­er recht­mäßig. Die Bay­erische Staat­sop­er hat mit Blick auf die pan­demis­che Ver­bre­itung von SARS-CoV­‑2 mit dif­fusem Ansteck­ungs­geschehen zunächst tech­nis­che und organ­isatorische Maß­nah­men wie den Umbau des Büh­nen­raums und Anpas­sun­gen bei den aufzuführen­den Stück­en ergrif­f­en, diese aber als nicht als aus­re­ichend erachtet. Sie hat sodann – auch um den Vor­gaben der Sech­sten Bay­erischen Infek­tion­ss­chutz­maß­nah­men-Verord­nung zu genü­gen – mit wis­senschaftlich­er Unter­stützung durch das Insti­tut für Virolo­gie der Tech­nis­chen Uni­ver­sität München und das Klinikum rechts der Isar ein Hygien­ekonzept erar­beit­et, das für Per­so­n­en aus der Gruppe der Orch­ester­musik­er PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vor­sah. Hier­durch sollte der Spiel­be­trieb ermöglicht und die Gesund­heit der Beschäftigten geschützt wer­den. Die auf diesem Konzept beruhen­den Anweisun­gen an die Klägerin entsprachen bil­ligem Ermessen iSv. § 106 GewO. Der mit der Durch­führung der Tests ver­bun­dene min­i­male Ein­griff in die kör­per­liche Unversehrtheit ist ver­hält­nis­mäßig. Auch das Grun­drecht auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung macht die Tes­tanord­nung nicht unzuläs­sig, zumal ein pos­i­tives Testergeb­nis mit Blick auf die infek­tion­ss­chutzrechtlichen Meldepflicht­en und die Kon­tak­t­nachver­fol­gung ohnedies im Betrieb bekan­nt wird. Da hier­nach die arbeit­ge­ber­seit­ige Anweisung zur Umset­zung des betrieblichen Hygien­ekonzepts recht­mäßig war, hat der beklagte Freis­taat zu Recht einge­wandt (§ 297 BGB), dass Vergü­tungsansprüche wegen Annah­mev­erzugs im stre­it­ge­gen­ständlichen Zeitraum jeden­falls mit Blick auf den fehlen­den Leis­tungswillen der Klägerin, die die Durch­führung von PCR-Tests ver­weigert hat, nicht bestehen.

Der auf die Bezahlung der Zeit­en häus­lichen Übens gerichtete Hil­f­santrag ist gle­ich­falls unbe­grün­det. Eine Vergü­tung dieser Zeit­en ist nur geschuldet, soweit sie auf die tar­ifver­traglich geregel­ten Dien­ste – Proben und Auf­führun­gen – bezo­gen sind. An diesen hat die Klägerin im Stre­itzeitraum nicht teilgenom­men. Der Beschäf­ti­gungsantrag, mit dem die Klägerin ihren Ein­satz ohne Verpflich­tung zur Durch­führung von Tests jed­wed­er Art zur Fest­stel­lung von SARS-CoV­‑2 erre­ichen wollte, ist als Glob­al­antrag schon deshalb unbe­grün­det, weil bere­its der für die Zahlungsanträge maßge­bliche Zeitraum zeigt, dass wirk­same Tes­tanord­nun­gen möglich sind.

Henn emp­fahl, die Entschei­dung zu beacht­en und in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.

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