Erstes Arbeits­gericht entschei­det über Recht­mäßigkeit verpflich­t­en­der Corona-Tests

(Stuttgart) Solange ein Impf­stoff noch nicht flächen­deck­end zur Ver­fü­gung ste­ht, ver­lan­gen einige Unternehmen verpflich­t­ende Fieber­mes­sun­gen oder Coro­na-Tests vor dem Betreten des Betrieb­s­gelän­des. Ein erstes Arbeits­gericht hat­te nun über die Recht­mäßigkeit von verpflich­t­en­den Coro­na-Tests zu entschei­den. Es wies den Antrag des Arbeit­nehmers auf Zugang zum Betrieb ohne Coro­na-Test zurück.

Die rechtliche Lage stellt der Ham­burg­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott ein.

Fieber­messen vor Betrieb­szutritt in der Pandemie

Arbeit­ge­ber trifft eine Für­sorgepflicht für ihre Mitar­beit­er. Infizierte Mitar­beit­er, die krankheits­be­d­ingt aus­fall­en, stellen damit nicht nur eine finanzielle Belas­tung für Unternehmen dar, son­dern kön­nen Infek­tions­ket­ten im ganzen Betrieb auch zu ein­er Stil­l­le­gung und Betrieb­ss­chließung führen. „Teil­weise messen Unternehmen daher bei ihren Mitar­beit­ern die Tem­per­atur vor dem Betreten des Betriebs. Mitar­beit­ern mit erhöhter Tem­per­atur wird dann kein Zutritt zum Betrieb gewährt“, so der Ham­burg­er Arbeit­srechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

Diese Mitar­beit­er wer­den sodann regelmäßig durch den Arbeit­ge­ber freigestellt, bis die Symp­tome abgek­lärt sind. „Fieber­messen ist ein Ein­griff in das Per­sön­lichkeit­srecht des Arbeit­nehmers. Gle­ichzeit­ig wer­den dadurch Gesund­heits­dat­en der Mitar­beit­er ver­ar­beit­et. Dies ist arbeits- und daten­schutzrechtlich nur zuläs­sig, wenn das Inter­esse des Arbeit­ge­bers das Per­sön­lichkeitsin­ter­esse des Arbeit­nehmers über­wiegt“. Arbeit­en die Mitar­beit­er aber eng beisam­men und kön­nen Sicher­heitsab­stände auf­grund der Arbeitsabläufe nicht immer einge­hal­ten wer­den, sprechen aber gute Gründe dafür, dass der Arbeit­ge­ber eine solche Mes­sung ein­seit­ig auch gegen den Willen des Arbeit­nehmers anord­nen darf. „Beste­ht ein Betrieb­srat, ist dieser allerd­ings bei der Maß­nahme zu beteili­gen. Auch müssen die Ergeb­nisse der Fieber­mes­sung sogle­ich nach der Zutritts­gewährung gelöscht wer­den“, so Fuhlrott. Einem Arbeit­nehmer, der sich dann ein­er Tem­per­aturmes­sung ver­weigert, dürfte der Zutritt zum Betrieb aber ver­wehrt wer­den. Auch eine Lohn­fortzahlung erhielte dieser dann nicht.

ArbG Offen­bach: Verpflich­t­ende Coro­na-Tests zulässig?

Einen weitaus inten­siv­eren Ein­griff als Fieber­mes­sun­gen stellen hinge­gen Coro­na-Tests dar. Anders als Fieber­mes­sun­gen kön­nen diese nicht kon­tak­t­los erfol­gen, son­dern set­zen einen gerin­gen kör­per­lichen Ein­griff in Form eines Abstrichs in Nase oder Rachen­raum voraus. Solche verpflich­t­en­den Tests sah ein Unternehmen im Raum Offen­bach vor, das mit dem Betrieb­srat dazu eine Betrieb­svere­in­barung über verpflich­t­ende PCR-Tests abgeschlossen hat­te. Der Arbeit­nehmer wider­set­zte sich der entsprechen­den Anweisung, einen solchen Test durchzuführen. Er sah sich in seinem Recht auf Selb­st­bes­tim­mung durch den inva­siv­en Ein­griff in seine kör­per­liche Unversehrtheit ver­let­zt, wie das Arbeits­gericht Offen­bach in sein­er Pressemit­teilung vom 04.02.2021 über ein laufend­es Eil­ver­fahren vor der 4. Kam­mer berichtet.

Gerichtlich machte der Arbeit­nehmer daher im Wege eines Antrags auf einst­weili­gen Rechtss­chutz den Zugang zum Betrieb und sein Recht auf Beschäf­ti­gung gel­tend. Mit seinem Antrag war der kla­gende Arbeit­nehmer aber nicht erfol­gre­ich. Die Richter wiesen nach der gerichtlichen Pressemit­teilung den Antrag unter anderem deswe­gen zurück, weil eine beson­dere Eilbedürftigkeit für eine Entschei­dung im Wege vor­läu­fi­gen Rechtss­chutzes nicht dargelegt wor­den war. „Verpflich­t­ende Coro­na-Tests sind von der Ein­griff­s­in­ten­sität weitaus höher zu beurteilen als reine Fieber­mes­sun­gen“, so Fuhlrott. „Sie kön­nen daher nur zuläs­sig sein, wenn der Arbeit­ge­ber ein beson­deres berechtigtes Inter­esse nach­weisen kann. Dies kön­nte etwa dann der Fall sein, wenn sich der Arbeit­nehmer zuvor in einem Risiko­ge­bi­et aufge­hal­ten hat“, erläutert der Ham­burg­er Fachanwalt.

ArbG Sieg­burg: Keine Beschäf­ti­gung von Arbeit­nehmern selb­st mit „Maske­nat­test“

Erst jüngst hat­te sich zudem das Arbeits­gericht Sieg­burg (Urt. v. 16.12.2020, Az.: 4 Ga 18/20) mit der Beschäf­ti­gungspflicht eines Arbeit­nehmers zu befassen, der auf­grund eines ärztlichen Attests seine Arbeit ohne Maske oder Gesichtsvisi­er ver­richt­en wollte. Auch dort hat­te der Arbeit­ge­ber die Beschäf­ti­gung des Arbeit­nehmers aus Grün­den des Schutzes von weit­eren Arbeit­nehmern und Kun­den abgelehnt und den Arbeit­nehmer nach­hause geschickt.

Hierge­gen hat­te sich der Arbeit­nehmer zur Wehr geset­zt und im Wege einst­weiliger Ver­fü­gung beantragt, ihm die weit­ere Tätigkeit vor Ort ohne Maske oder Gesichtsvisi­er zu ges­tat­ten. Das Gericht gab auch hier dem Arbeit­ge­ber Recht. „Selb­st in Fällen, in denen ein Arbeit­nehmer aus medi­zinis­ch­er Indika­tion keine Mund-Nasen-Bedeck­ung oder ein Gesichtsvisi­er zu tra­gen braucht, kann der berechtigte Infek­tion­ss­chutz für übrige Mitar­beit­er und Besuch­er das Beschäf­ti­gungsin­ter­esse des Einzel­nen über­wiegen. Der Arbeit­nehmer darf dann dem fraglichen Mitar­beit­er den Zutritt zur Arbeit ver­wehren“, erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

Für den Ham­burg­er Arbeit­srechtler macht das Urteil auch deut­lich, dass eine pauschal ärztlich attestierte Masken­be­freiung nicht aus­re­icht, um einen Beschäf­ti­gungsanspruch zu begrün­den. Bemerkenswert an dem Urteil sei zudem, dass nach dem Gericht selb­st in Fällen medi­zinisch begrün­de­ter Befreiun­gen ein Arbeit­ge­ber aus Grün­den sein­er Schutzpflicht für die übrige Belegschaft einen Arbeit­nehmer aussper­ren dürfe.

Fuhlrott emp­fiehlt Arbeit­ge­bern und Arbeit­nehmern bei Fra­gen zur Umset­zung von Hygien­e­maß­nah­men oder der Beurteilung deren Recht­mäßigkeit Recht­srat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.

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Fachan­walt für Arbeitsrecht
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