(Stuttgart) Wer sein­er Arbeit­ge­berin eine aus dem Inter­net aus­ge­druck­te ärztliche „Bescheini­gung über die vor­läu­fige Imp­fun­fähigkeit“ vor­legt, ohne dass eine Unter­suchung durch die bescheini­gende Ärztin erfol­gt ist, riskiert die Kündi­gung seines langjähri­gen Arbeitsverhältnisses.

Das, so der Kiel­er Fachan­walt für Arbeit­srecht Jens Klar­mann, Vizepräsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, hat soeben das Arbeits­gericht Lübeck (5 Ca 189/22) entschieden.

Die Klägerin ist bei der beklagten Klinik seit 2001 als Kranken­schwest­er beschäftigt. Auf die Anweisung der Arbeit­ge­berin im Zuge der Umset­zung der ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­pflicht, den Impf- bzw. Gene­se­nen Sta­tus nachzuweisen oder ein ärztlich­es Imp­fun­fähigkeit­szeug­nis vorzule­gen, hat die Klägerin ihrer Arbeit­ge­berin eine Bescheini­gung vorgelegt, die eine sechsmonatige vor­läu­fige Imp­fun­fähigkeit ausweist und die Unter­schrift ein­er Ärztin aus Süd­deutsch­land enthält. Die Bescheini­gung wurde aus dem Inter­net aus­ge­druckt. Eine — sei es dig­i­tale — Besprechung mit der Ärztin fand nicht statt. Die Beklagte hat das Gesund­heit­samt informiert und außer­dem der Klägerin im Jan­u­ar 2022 frist­los, hil­f­sweise ordentlich zum 31. Juli 2022 gekündigt.

In ihrer Kündi­gungss­chutzk­lage führte die Klägerin u.a. aus, dass die Vor­lage ein­er solchen Bescheini­gung nicht zu bean­standen sei und § 20a IFSG weit­ere arbeit­srechtliche Maß­nah­men der Arbeit­ge­berin gegenüber ihren Beschäftigten auss­chlösse. Allein das Gesund­heit­samt könne in dieser Sit­u­a­tion han­deln und eine ärztliche Unter­suchung der betrof­fe­nen Mitar­bei­t­erin veranlassen.

Dem ist das Arbeits­gericht, wie in der mündlichen Ver­hand­lung aus­ge­führt, nicht gefolgt.

Die hil­f­sweise ordentliche Kündi­gung unter Ein­hal­tung der gel­tenden Kündi­gungs­frist war auf­grund des Fehlver­hal­tens der Klägerin sozial gerecht­fer­tigt und damit wirk­sam. Dage­gen war die frist­lose Kündi­gung angesichts der sehr lan­gen Betrieb­szuge­hörigkeit unver­hält­nis­mäßig. Die Vor­lage ein­er vorge­fer­tigten ärztlichen Imp­fun­fähigkeits­bescheini­gung, ohne dass vorher eine Unter­suchung erfol­gt ist, stellt eine sehr schwere Ver­let­zung arbeitsver­traglich­er Nebenpflicht­en dar, die das Ver­trauen in eine ungestörte weit­ere Zusam­me­nar­beit auch ohne vorherige Abmah­nung zer­stört. Es musste der Klägerin klar sein, dass die vorgelegte Bescheini­gung zwar bei der Arbeit­ge­berin den Anschein eines ärztlichen Zeug­niss­es erweck­en würde, aber in Wahrheit nicht auf ein­er ärztlichen Unter­suchung beruhte. Aus § 20a IFSG ergibt sich für eine solche Kon­stel­la­tion kein arbeit­srechtlich­es Kündigungsverbot.

Die Entschei­dung ist noch nicht rechtskräftig.

Klar­mann emp­fahl, den Aus­gang zu beacht­en sowie in Zweifels­fällen, um Recht­srat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.      

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