(Stuttgart) Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hat angesichts der Umsatzausfälle infolge der Corona Krise beim Amtsgericht Essen ein Schutzschirmverfahren beantragt. Das Schutzschirmverfahren schützt in die Krise geratene Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger, ohne dass die Betriebe bereits Insolvenz anmelden müssen. Dem Antrag ist bereits stattgegeben worden.

Die über 25.000 Beschäftigten sind nun verunsichert und fragen sich was dieser Schritt für sie bedeutet. Wir klären die wichtigsten Fragen in unserem Beitrag. Viele haben auch zuletzt gegen Kaufhof vor dem Arbeitsgericht geklagt.

Worauf es nun ankommt, erklärt der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel, Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart.

Einen automatischen Stopp der Auszahlung gibt es wegen des Schutzschirmverfahrens nicht. Ob ausgezahlt wird oder nicht, hängt jetzt allein von Karstadt Kaufhof ab. Allerdings kann aus einem gerichtlichen Vergleich erstmal nicht mehr gegen Karstadt Kaufhof vollstreckt werden, wenn dieser nicht zahlt. Es gibt als erstmal leider kein Druckmittel.
Die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses bleibt allerdings bestehen. Leider gibt es wohl keine Möglichkeit, den Vergleich anzufechten oder noch mal „aufzumachen“.

Sollte das Schutzschirm Verfahren in eine Insolvenz münden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Abfindung doch noch ausgezahlt wird leider sehr gering. Sie wäre dann als Insolvenzforderung anzumelden. Aber so weit ist es noch nicht!

  • Was passiert, wenn ich mit Karstadt Kaufhof in einem Rechtsstreit bin, der noch nicht durch einen Vergleich beendet wurde?

Der Rechtsstreit wird erst mal fortgesetzt und durch das Schutzschirmverfahren nach jetzigem Stand nicht unterbrochen. Ob allerdings Karstadt Kaufhof weiterhin bereit ist, Abfindungen anzubieten, wissen wir leider momentan nicht.

Selbst wenn die weiterhin bereit wären, Abfindungen zu zahlen, würden wir momentan empfehlen, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Eingang der Abfindungszahlung abhängig zu machen. Das kann man in einem gerichtlichen Vergleich so vereinbaren. Aber wie gesagt: Es hängt nun alles von Karstadt Kaufhof ab.

Das Arbeitsverhältnis würde in diesem Fall erst mal wie bislang weitergeführt. Es gelten dann die gleichen rechtlichen Bedingungen wie unten weitergehend beschrieben.

Die Gültigkeit Ihres Arbeitsvertrages wird durch den Antrag auf Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens nicht verändert, d. h. sämtliche Rechte und Pflichten bleiben bestehen. Dies gilt auch für tarifvertragliche Ansprüche sowie Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen. Sie müssen sich daher nicht arbeitslos oder arbeitssuchend melden.

  • Was passiert jetzt mit meiner Vergütung?

Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Insolvenzgeld. Das Insolvenzgeld ersetzt das vertraglich geschuldete monatliche Netto-Arbeitsentgelt. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht hier grundsätzlich für die Monate April, Mai und Juni 2020. Die Netto-Entgelte der Mitarbeiter für die Monate April, Mai und Juni 2020 werden über eine Vorfinanzierung auf das Insolvenzgeld gedeckt und möglichst zeitnah ausbezahlt. Das Insolvenzgeld umfasst alle insolvenzgeldfähigen Vergütungsbestandteile bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (in 2019: 6.700 € West). Danach, d.h. voraussichtlich ab Juli 2020, werden die Entgeltzahlungen wieder wie gewohnt durch den Arbeitgeber erfolgen.

  • Bekomme ich wegen der laufenden Kurzarbeit weiterhin nur ein gekürztes Entgelt in Höhe von 60/67% meines Netto-Entgeltes?

Nein, das Unternehmen beabsichtigt, für alle Mitarbeiter Insolvenzgeld durch die Bundesagentur für Arbeit in ungekürzter Höhe zu ermöglichen, also so, als wenn es keine Kurzarbeit gibt. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter durch den Schutzschirmantrag für die Zeit des Insolvenzgeldes bessergestellt sind als bei Kurzarbeit, da sie 100% ihres insolvenzgeldfähigen Netto-Entgeltes erhalten sollen.

  • Wann muss ich meine Arbeit wieder aufnehmen?

Das beabsichtigte Ende des Kurzarbeitergeldes bedeutet für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen und Reisebüros der GKK nicht, dass diese sofort wieder die Arbeit aufnehmen müssen. Hierzu werden wir kurzfristig gesondert auf sie zukommen und sie informieren, wie wir während der weiter andauernden „Shutdown-Phase“ agieren werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aktuell für den Online-Filial- Versand bzw. für die Teilöffnung für Mieter tätig sind bitten wir, wie geplant und abgesprochen zu arbeiten. Im Service Center bitten wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich morgen mit den Leitern bzw. Bereichsleitern Ihres Bereiches abzustimmen und Tätigkeit im Homeoffice oder im Servicecenter wieder „normal“ aufzunehmen.

  • Was ist vom Insolvenzgeld umfasst?

Das Insolvenzgeld umfasst alle insolvenzgeldfähigen Vergütungsbestandteile bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (in 2020: 6.900 € West).
Insolvenzgeldfähig (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) sind:

–  Laufende Lohn- und Gehaltsbezüge (einschließlich Urlaubsentgelt für Urlaubstage im Abrechnungszeitraum, dagegen keine Urlaubsabgeltung)
–  Mehrarbeitsvergütungen
–  Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit
–  Vergütung der Rufbereitschaft
–  Essensgeld-, Kontoführungsgebühren, Treueprämien
–  Leistungs- und Flexibilitätszulage
–  Vermögenswirksame Leistungen
–  Jubiläumszuwendungen
–  Fahrtkostenzuschuss
–  Reisekosten
–  Verpflegungsmehraufwendungen
–  Zuschuss Mutterschaftsgeld
–  Bei Altersteilzeit gehört zum Brutto-Arbeitsentgelt auch der steuer- und

Nicht insolvenzgeldfähig sind:

–  Ansprüche, die Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchen können, z.B. Abfindungen
–  Ansprüche auf Urlaubsabgeltung
–  Vergütungsbestandteile, die außerhalb des Vorfinanzierungszeitraums liegen (z.B. variable Vergütungsbestandteile, die die Vormonate betreffen)

  • Was geschieht mit der betrieblichen Altersvorsorge?

Für die Berechnung Ihres Insolvenzgeldanspruchs gilt die Direktversicherung mit Gehaltsverzicht (auch Riesterrente, Pensionfonds, Pensionskasse) als nicht vereinbart. Dies bedeutet, dass ab dem Monat für den der Beitrag durch den Arbeitgeber nicht mehr abgeführt wurde, die Versicherung auch nicht mehr in der Verdienstabrechnung berücksichtigt wird. Ihr Nettoentgelt steigt dadurch um den Versicherungsbeitrag an.

Während des Insolvenzgeldzeitraumes kann nach den allgemeinen Regelungen (Arbeitsvertrag Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) Urlaub beantragt und genommen werden. Bereits bewilligte Urlaubsanträge bleiben unberührt. Urlaub ist wie bisher mit den jeweiligen Vorgesetzten abzustimmen und muss betriebliche Belange beachten. Eine Abgeltung von Urlaubsansprüchen kann nicht über das Insolvenzgeld erfolgen.

  • Was geschieht mit den vermögenswirksamen Leistungen?

Der Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen ist durch das Insolvenzgeld abgedeckt. Die Auszahlung der vermögenswirksamen Leistungen wird auch während der Dauer des Insolvenzgeldzeitraumes vorgenommen und an die Finanzdienstleister oder Kreditinstitute, wie bisher, weitergeleitet.

  • Welche Auswirkungen hat das Insolvenzgeld für meine Krankenversicherung?

–  Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer

Für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer gibt es im Insolvenzgeldzeitraum keine Änderungen. Die Abwicklung übernimmt die jeweilige Krankenkasse. Es entsteht keine Versorgungslücke in diesem Zeitraum.

–  Freiwillig versicherte Arbeitnehmer

Der Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung wird weiterhin an den Arbeitnehmer ausbezahlt. Der volle Krankenversicherungsbeitrag ist durch den Arbeitnehmer selbst an die Krankenkasse zu bezahlen. Bitte setzen Sie sich daher mit Ihrer Krankenkasse in Verbindung um evtl. Nachteile zu vermeiden.

–  Privat versicherte Arbeitnehmer

Hier ergeben sich keine Änderungen. Der Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung wird weiterhin an den Arbeitnehmer ausbezahlt.

  • Was geschieht mit der Rentenversicherung?

In der Rentenversicherung entstehen keine Lücken. Unabhängig von einer Beitragszahlung durch den Arbeitgeber wird dieser Zeitraum entsprechend bescheinigt.

Görzel empfahl, dies zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

Volker Görzel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
HMS. Barthelmeß Görzel Rechtsanwälte
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