(Stuttgart) Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers regelmäßig nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform beurteilt.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 27.04.2021, Az. 9 AZR 262/20.

Der Arbeitgeber hatte dem Kläger nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis erteilt, das die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers in einer Tabelle wie in einem Schulzeugnis und mit Schulnoten bewertete.

Das BAG stellt fest, dass der Arbeitgeber mit der Erteilung dieses Zeugnisses den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses nicht erfüllt hat und der Kläger weiterhin Anspruch auf ein korrektes Arbeitszeugnis hat. Denn eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach „Schulnoten“ genüge nicht den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses.

Ein Arbeitszeugnis als individuelle Beurteilung der beruflichen Verwendbarkeit eines Arbeitnehmers müsse den Zeugnisleser Auskunft über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis geben. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung habe der Arbeitgeber die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt habe. Dies erfolge regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeit, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten sei hierbei insbesondere auch ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen.

Ein Arbeitszeugnis, das eine Vielzahl von Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufführe und mit „Schulnoten“ bewerte, genüge den Erwartungen eines Zeugnislesers nicht, weil die prägenden Merkmale im Kontext der üblichen Bewertungskriterien ihre Bedeutung verlieren und die gebotene Individualisierung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung eines Arbeitnehmers nicht erreicht werde.

Individuelle Hervorhebungen und Differenzierungen ließen sich deshalb regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis herausstellen, so dass die besonderen Nuancen des beendeten Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck kommen und damit den Zeugniszweck als aussagekräftige Bewerbungsunterlage in Bezug auf die konkret beurteilte Person erfüllen.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Henn stellt fest, dass auf Basis dieser Rechtsprechung des BAG Arbeitgeber sich stets die Mühe machen müssen, ein individuell ausformuliertes Zeugnis zu erstellen, eine Beurteilung nach Stichworten und „nach Schulnoten“ sei unzulässig.

Arbeitnehmern kann deshalb nur empfohlen werden, solche Zeugnisse auch nicht zu akzeptieren, sondern ihren Anspruch auf Erteilung eines korrekten Zeugnisses geltend zu machen und ggf. auch durchzusetzen.

Henn empfahl weiterhin, im Zweifelsfall rechtliche Unterstützung durch einen Anwalt in Anspruch zu nehmen und verwies hierbei auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. –www.vdaa.de

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Michael Henn
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