Lan­dessozial­gericht verurteilt eine Bau­fir­ma zur Nachzahlung von mehr als 100.000 Euro Sozialver­sicherungs­beiträ­gen (incl. Säumniszuschläge)

(Stuttgart) Bauar­beit­er, die im Wesentlichen ihre Arbeit­skraft zur Ver­fü­gung stellen und kein Unternehmer­risiko tra­gen, sind abhängig beschäftigt.

Darauf ver­weist der Stuttgarter Fachan­walt für Arbeit­srecht Michael Henn, Präsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf das jet­zt veröf­fentlichte Urteil des Lan­dessozial­gericht­es Hes­sen vom 26.01.2023 (Az. L 8 BA 51/20).

Bauar­beit­er, die im Wesentlichen ihre Arbeit­skraft zur Ver­fü­gung stellen und kein Unternehmer­risiko tra­gen, sind abhängig beschäftigt. Die beauf­tra­gende Bau­fir­ma kann sich nicht auf einen Nachunternehmerver­trag berufen, wenn dieser lediglich die tat­säch­lichen Ver­hält­nisse ver­schleiern sollte, um der geset­zlichen Sozial­ab­gabepflicht­en zu ent­ge­hen. Dies entsch­ied in einem soeben veröf­fentlicht­en Urteil der 8. Sen­at des Hes­sis­chen Landessozialgerichts.

Eine Bau­fir­ma aus Kas­sel ließ drei ungarische Män­ner, die eine Gesellschaft bürg­er­lichen Rechts (GbR) gegrün­det hat­ten, Trock­en­bauar­beit­en ver­richt­en. Sozialver­sicherungs­beiträge wur­den für die im Land­kreis Kas­sel wohnen­den Bauar­beit­er, die ins­beson­dere Säulen mit Brennschutz­plat­ten verklei­de­ten, nicht gezahlt.

Bein ein­er Betrieb­sprü­fung stellte die Deutsche Renten­ver­sicherung fest, dass die drei Män­ner als soge­nan­nte Schein­selb­st­ständi­ge abhängig beschäftigt gewe­sen seien und forderte von der Bau­fir­ma Sozialver­sicherungs­beiträge (incl. Säum­niszuschlä­gen) in Höhe von rund 100.000 €.

Der Inhab­er der Bau­fir­ma wider­sprach und ver­wies auf den abgeschlosse­nen Nachunternehmerver­trag. Die Bauar­beit­er hät­ten pro verklei­de­ter Säule einen Fes­t­be­trag von 10 € bzw. 11 € erhal­ten. Bei ca. 12 Minuten Arbeit­szeit pro Säule hätte der Stun­den­lohn bei rund 45 € gele­gen. Zudem hät­ten sie einen eige­nen Fir­men­bus sowie eigene Arbeits­ma­te­ri­alien einge­set­zt und seien auch für andere Auf­tragge­ber tätig gewe­sen. Daher sei von ein­er selb­st­ständi­gen Tätigkeit auszuge­hen. Die Klage des Inhab­ers der Bau­fir­ma gegen den Beitrags­bescheid war in bei­den Instanzen erfolglos.

Das Sozial­gericht Kas­sel und das Lan­dessozial­gericht Hes­sen stell­ten fest, dass eine abhängige sozialver­sicherungspflichtige Beschäf­ti­gung vorgele­gen habe.

Der Inhab­er der Bau­fir­ma habe die drei Bauar­beit­er zumeist in seinem Bus zu den Baustellen gefahren. Dort hät­ten sie die ihnen zugewiese­nen Säulen mit Brennschutz­plat­ten verse­hen müssen. Mate­r­i­al und Werkzeug sei ihnen gestellt wor­den, ein eigen­er Fir­men­bus habe ihnen nicht zur Ver­fü­gung ges­tanden. Die kaum Deutsch sprechen­den Bauar­beit­er hät­ten lediglich ihre per­sön­liche Arbeit­skraft zur Ver­fü­gung gestellt und seien in den Betrieb der Bau­fir­ma eingegliedert gewe­sen. Ein Unternehmer­risiko hät­ten sie nicht getra­gen. Bei ein­er Arbeit­szeit zwis­chen 20 und 60 Minuten pro Säule und dem vere­in­barten Fest­preis hät­ten sie ein selb­st­ständi­ges Unternehmen nicht führen können.

Der Inhab­er der Bau­fir­ma habe auch von der Sozialver­sicherungspflicht der Bauar­beit­er aus­ge­hen müssen. Ihm sei bewusst gewe­sen, dass die drei Bauar­beit­er als soge­nan­nte Schein­selb­st­ständi­ge für ihn tätig gewe­sen seien. Der mit ihnen geschlossene Nachunternehmerver­trag habe lediglich der Ver­schleierung der tat­säch­lichen Ver­hält­nisse und der Umge­hung der geset­zlichen Sozial­ab­gabenpflicht gedient.

Auch die erhobe­nen Säum­niszuschläge (rund 20.000 €) seien nicht zu bean­standen. Ins­beson­dere könne sich der Inhab­er der Bau­fir­ma nicht auf unver­schuldete Unken­nt­nis berufen, da von dieser im Falle der Schwarzarbeit und ille­galen Beschäf­ti­gung von vorn­here­in nicht aus­ge­gan­gen wer­den könne.

Henn emp­fahl, die Entschei­dung zu beacht­en und in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA-Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.

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