(Stuttgart) Erteilt der Arbeit­ge­ber einem Arbeit­nehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risiko­ge­bi­et zurück­kehrt, ein 14-tägiges Betre­tungsver­bot für das Betrieb­s­gelände, obwohl der Arbeit­nehmer entsprechend den verord­nungsrechtlichen Vor­gaben bei der Ein­reise auf­grund der Vor­lage eines aktuellen neg­a­tiv­en PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symp­tom­frei­heit kein­er Abson­derungspflicht (Quar­an­täne) unter­liegt, schuldet der Arbeit­ge­ber grund­sät­zlich Vergü­tung wegen Annahmeverzugs.

Darauf ver­weist der Stuttgarter Fachan­walt für Arbeit­srecht Michael Henn, Präsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) zu seinem Urteil vom 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 –.

Der Kläger ist als Leit­er der Nachtreini­gung bei der Beklagten, die am Stan­dort Berlin Lebens­mit­tel für den Han­del pro­duziert, beschäftigt. Die Beklagte erstellte zum Infek­tion­ss­chutz ein Hygien­ekonzept, das für Arbeit­nehmer, die aus einem vom RKI aus­gewiese­nen Risiko­ge­bi­et zurück­kehren, eine 14-tägige Quar­an­täne mit Betre­tungsver­bot des Betriebs ohne Ent­geltanspruch anordnet.

Die SARS-CoV-2-Eindäm­mungs­maß­nah­men­verord­nung des Lan­des Berlin vom 16. Juni 2020 sah nach Ein­reise aus einem Risiko­ge­bi­et grund­sät­zlich eine Quar­an­tänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Diese sollte jedoch nicht für Per­so­n­en gel­ten, die über ein ärztlich­es Attest neb­st aktuellem Labor­be­fund ver­fü­gen, der ein neg­a­tives Ergeb­nis eines PCR-Tests ausweist, der höch­stens 48 Stun­den vor Ein­reise vorgenom­men wurde, und die keine Symp­tome ein­er COVID-19-Erkrankung aufweisen.

Der Kläger reiste während des ihm erteil­ten Urlaubs vom 11. August bis zum 14. August 2020 wegen des Todes seines Brud­ers in die Türkei, die zu dieser Zeit als Coro­na-Risiko­ge­bi­et aus­gewiesen war. Vor der Aus­reise aus der Türkei unter­zog er sich einem Coro­na-PCR-Test, der eben­so wie der erneute Test nach Ankun­ft in Deutsch­land neg­a­tiv war. Der Arzt des Klägers attestierte ihm Symp­tom­frei­heit. Die Beklagte ver­weigerte dem Kläger für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betrieb und zahlte keine Arbeitsvergü­tung. Mit sein­er Klage hat der Kläger Vergü­tung wegen Annah­mev­erzugs in Höhe von 1.512,47 Euro brut­to ver­langt. Er hat gel­tend gemacht, die Beklagte habe zu Unrecht die Annahme sein­er Arbeit­sleis­tung verweigert.

Das Lan­desar­beits­gericht hat der Klage stattgegeben. Die hierge­gen gerichtete Revi­sion der Beklagten hat­te vor dem Fün­ften Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg.

Das Beru­fungs­gericht hat richtig erkan­nt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger ange­bote­nen Arbeit­sleis­tung in Annah­mev­erzug befand. Das von ihr erteilte Betre­tungsver­bot des Betriebs führte nicht zur Leis­tung­sun­fähigkeit des Klägers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichter­bringung der Arbeit­sleis­tung von der Beklagten selb­st geset­zt wurde. Dass ihr die Annahme der Arbeit­sleis­tung des Klägers auf­grund der konkreten betrieblichen Umstände unzu­mut­bar war, hat sie nicht dargelegt. Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeit­sent­gelts fernzubleiben, war außer­dem unbil­lig (§ 106 GewO) und daher unwirk­sam. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weit­eren PCR-Test eine Infek­tion weit­ge­hend auszuschließen. Hier­durch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforder­lichen und angemesse­nen Schutz der Gesund­heit der Arbeit­nehmer erre­ichen und einen ord­nungs­gemäßen Betrieb­sablauf sich­er­stellen können.

Henn emp­fahl, die Entschei­dung zu beacht­en und in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.

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