(Stuttgart) Für das Erre­ichen des Schwellen­wertes, ab dem nach den Bes­tim­mungen des Man­teltar­ifver­trags für die Zeitar­beit ein Anspruch des Arbeit­nehmers auf Mehrar­beit­szuschläge beste­ht, sind nicht nur die tat­säch­lich geleis­teten Arbeitsstun­den, son­dern auch genommene Urlaub­sstun­den zu berück­sichti­gen. 

Darauf ver­weist der Stuttgarter Fachan­walt für Arbeit­srecht Michael Henn, Präsi­dent des VDAA — Ver­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG) zu seinem Urteil vom 16. Novem­ber 2022 – 10 AZR 210/19.

Der Kläger war bei der Beklagten als Lei­har­beit­nehmer in Vol­lzeit mit einem Brut­tostun­den­lohn im Jahr 2017 von 12,18 Euro beschäftigt. Für das Arbeitsver­hält­nis der Parteien galt auf­grund bei­der­seit­iger Organ­i­sa­tion­szuge­hörigkeit der Man­teltar­ifver­trag für die Zeitar­beit in der Fas­sung vom 17. Sep­tem­ber 2013 (MTV). § 4.1.2. MTV bes­timmt, dass Mehrar­beit­szuschläge in Höhe von 25 % für Zeit­en gezahlt wer­den, die im jew­eili­gen Kalen­der­monat über eine bes­timmte Zahl geleis­teter Stun­den hin­aus­ge­hen. Im Monat August 2017, auf den 23 Arbeit­stage ent­fie­len, arbeit­ete der Kläger 121,75 Stun­den und nahm 10 Tage Urlaub in Anspruch, die die Beklagte mit 84,7 Stun­den abrech­nete. Mehrar­beit­szuschläge leis­tete sie für diesen Monat nicht.

Der Kläger ver­langt mit sein­er Klage Mehrar­beit­szuschläge für die über 184 Stun­den hin­aus­ge­hen­den Stun­den und meint, die für den Urlaub abgerech­neten Stun­den seien einzubeziehen.

Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen. Auf ein Vor­abentschei­dungser­suchen des Zehn­ten Sen­ats des Bun­de­sar­beits­gerichts (Beschluss vom 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) – vgl. PM Nr. 16/20) hat der Gericht­shof der Europäis­chen Union mit Urteil vom 13. Jan­u­ar 2022 – C‑514/20 – entsch­ieden, dass das Union­srecht (Art. 7 Abs. 1 der Richtlin­ie 2003/88/EG) ein­er tar­i­flichen Regelung ent­ge­gen­ste­ht, nach der für die Berech­nung, ob und für wie viele Stun­den einem Arbeit­nehmer Mehrar­beit­szuschläge zuste­hen, nur die tat­säch­lich gear­beit­eten Stun­den berück­sichtigt wer­den, nicht aber die Stun­den, in denen der Arbeit­nehmer seinen bezahlten Jahresurlaub in Anspruch nimmt.

Die Revi­sion des Klägers hat­te unter Zugrun­dele­gung dieser Entschei­dung vor dem Zehn­ten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts Erfolg.

Die tar­i­fliche Regelung des § 4.1.2 MTV muss bei geset­zeskon­former Ausle­gung so ver­standen wer­den, dass bei der Berech­nung von Mehrar­beit­szuschlä­gen nicht nur tat­säch­lich geleis­tete Stun­den, son­dern auch Urlaub­sstun­den bei der Frage mitzählen, ob der Schwellen­wert, ab dem solche Zuschläge zu zahlen sind, über­schrit­ten wurde. Anderen­falls wäre die Regelung geeignet, den Arbeit­nehmer von der Inanspruch­nahme seines geset­zlichen Min­desturlaubs abzuhal­ten, was mit § 1 BUrlG in seinem union­srecht­skon­for­men Ver­ständ­nis nicht vere­in­bar wäre.

Henn emp­fahl, die Entschei­dung zu beacht­en und in Zweifels­fällen rechtlichen Rat einzu­holen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAAVer­band deutsch­er Arbeit­srecht­sAn­wälte e. V. – www.vdaa.de – ver­wies.

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